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Schulden bei den Armen der Welt

Von Gerhard Lechner

Politik

Ex-EU-Kommissar Fischler kritisiert Kaputtsparen bei Entwicklungshilfe. | Österreich in der OECD "unrühmliche Spitze". | Wien. Deutliche Worte gebrauchte Österreichs einstiges Aushängeschild in Brüssel, Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, am Freitag in einer Pressekonferenz in Wien: Es sei "beschämend", wie sich die Regierung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit verhalte.


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Fischler sprach sich - als Präsident des Ökosozialen Forums - gemeinsam mit Caritas, Diakonie, Rotem Kreuz und der Hilfsorganisation Care gegen die geplanten Kürzungen der österreichischen Entwicklungshilfe aus. Österreich hatte bereits im Vorjahr sein Entwicklungshilfebudget auf 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) verringert. In diesem Jahr sind weitere Sparmaßnahmen geplant. Fischler nannte die Initiative, die sich "AG Globale Verantwortung" nennt, einen "Weckruf" an die Bundesregierung: "Die Regierung war mit den höchsten Kürzungen bei der Entwicklungshilfe innerhalb der OECD nicht nur im Krisenjahr 2009 unrühmliche Spitze, sondern ist bereits seit Jahrzehnten notorischer Wenigzahler und damit im Widerspruch mit gegebenen Versprechen."

Österreich hat sich mehrfach verpflichtet, jährlich 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. "20 Versprechen dieser Art wurden seit 1970 abgegeben, kein einziges gehalten", sagte Ex-ÖVP-Minister Fischler. "Insgesamt sind wir den Armen der Welt schon 30 Milliarden US-Dollar schuldig geblieben."

Die Initiative der Hilfsorganisationen dürfte auch dem Umstand geschuldet sein, dass man nun befürchtet, die Sparmaßnahmen könnten auch den sogenannten "operativen Teil" des Entwicklungshilfebudgets betreffen, der bisher von Kürzungen verschont blieb: Also jene rund 10 Prozent vom Gesamttopf, die nicht für Entschuldungsmaßnahmen oder Zahlungen an Staaten verwendet werden, sondern - gewissermaßen als "Herzstück" der Entwicklungshilfe - direkt an die Hilfsprojekte gehen. Im Außenministerium, das diesen Teil des Topfs verwaltet, verweist man zwar darauf, dass noch keine Entscheidung gefallen sei, ausgeschlossen sind Kürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit freilich nicht - im Juni soll Minister Michael Spindelegger die Entscheidung fällen, wo genau im Ministerium der Rotstift angesetzt wird.

Diakonie-Chef Michael Chalupka verwies auch auf organisatorische Defizite bei der österreichischen Katastrophenhilfe: So bedürfe es erst zäher Ministerratsbeschlüsse, bis im akuten Krisenfall eine Hilfsaktion anlaufen könne - in anderen Ländern ginge das oft binnen 48 Stunden.