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Schulden steigen auf 80 Prozent

Von Hermann Sileitsch und Karl Leban

Politik

S&P: Österreichs Schuldenstand wegen Statistikrevision 4 Prozentpunkte höher.


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Wien. Österreichs Schuldenstand wird 2014 voraussichtlich bis auf 80 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen - ganz ohne Zutun der Regierung. Grund sind neue europäische Statistikregeln, die eine Überarbeitung der Schuldenquote erzwingen. Künftig müssen noch mehr Schulden von Unternehmen wie der ÖBB Infrastruktur und der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) dem Bundeshaushalt zugeschlagen werden.

Einen Vorgeschmack hatte es bereits im März 2011 gegeben: Damals war der Schuldenstand 2010 rückwirkend um 3,4 Prozent hochgerechnet worden.

2014 folgt die nächste Runde: Der Staatsschuldenberg wird dank der statistischen "Reklassifikation" um 4 Prozentpunkte steigen, hat die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) errechnet. In absoluten Zahlen sind das gut 12 Milliarden Euro. Damit ist klar: Österreich Schuldenhöchststand wird Ende 2013 nicht bei 75,4 Prozent liegen, sondern bei fast 80 Prozent. Das Ziel, die Schuldenquote bis 2017 auf 70 Prozent zu senken, rückt in weite Ferne. Im Büro von Finanzministerin Maria Fekter war am Freitag niemand für ein Statement zu erreichen. Die spannende Frage wäre: Weicht Österreich nun seine Budgetziele auf und riskiert die Konfrontation mit der EU-Kommission? Oder droht ein neues Sparpaket?

Auch Defizit könnte steigen

Dass sich an den Berechnungen etwas ändert, bestätigt Konrad Pesendorfer, Generaldirektor der Statistik Austria. Die Politverhandlungen über die neue Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ("ESVG 2010") würden in den "nächsten Wochen oder längstens Monaten" abgeschlossen. Ab September 2014 wird für das Berichtsjahr 2013 erstmals offiziell nach neuen Regeln gerechnet. Schon jetzt laufen bei den Statistikämtern europaweit Vorbereitungen. Weil aber kein endgültiger Text vorliegt, will Pesendorfer die Folgen der Neudefinition für Österreich nicht quantifizieren. Nur so viel: "Die Trennlinie zwischen Markt und Staat verschiebt sich etwas." Laut S&P wandert dadurch ein weiterer Teil der Schulden von ÖBB Infrastruktur und BIG auf die Staatsseite. Die Asfinag werde sicher nicht dem Staat zugeschlagen: Sie finanziert sich hinreichend marktkonform über ihre Mauteinnahmen. Pesendorfer hat noch eine Hiobsbotschaft: "Die Umklassifizierung könnte auch defizitrelevant sein." Das heißt: Womöglich verfehlt Österreich auch seine Defizitziele.

Zurückhaltend kommentiert Bernhard Felderer, Präsident des Staatsschuldenausschusses, die Änderungen: "Erst, wenn wir die Details kennen, können wir etwas sagen." Überraschend kommen diese für ihn nicht: "Mir war immer klar, dass die Schulden der ÖBB Infrastruktur langfristig den Staatsschulden zugerechnet werden." Da die Änderung der Regeln viele europäische Staaten betreffe, sei eine EU-Debatte über die Konsolidierungsziele angebracht.

Schulden sind berücksichtigt

Eine Verschlechterung der Bonität muss Österreich vorerst nicht fürchten. "Das wird keine weitere Ratingbelastung sein, sondern nur eine Umschichtung", beruhigt Alois Strasser, der für Österreich hauptverantwortliche S&P-Analyst. ÖBB- und BIG-Schulden seien schon jetzt als "Eventualverbindlichkeiten" berücksichtigt.

S&P hatte Österreichs Rating Ende Jänner mit AA+, der zweithöchsten Note, bestätigt, aber den Ausblick von negativ auf stabil verbessert. Die Schuldenschwelle von 80 Prozent gilt als heikel: Liegt der Schuldenstand längerfristig darüber, weil die Regierung von ihrem Konsolidierungspfad abweicht, wäre laut S&P eine Ratingsenkung möglich. Die Wahrscheinlichkeit, dass Österreich sein Anfang 2012 verlorenes Triple-A-Rating in den nächsten Jahren wiedergewinnt, sei aus heutiger Sicht gering, so S&P.

Die Kapitalisierung von Österreichs Banken hat sich laut Strasser verbessert, sei aber nach wie vor nur "moderat", also nicht üppig. In einem von S&P simulierten Extremszenario würde sich für Österreichs Banken eine Kapitallücke von rund 70 Milliarden Euro auftun, das entspräche 23 Prozent des BIP. S&P führt regelmäßig eigene Stresstests durch, die von weit dramatischeren Annahmen ausgehen als die der EU-Bankenaufsicht EBA - und zwar von einer Rezession von 6 Prozent, einem Börsenabsturz um 60 Prozent und einer Arbeitslosenrate von 15 Prozent. Was Strasser positiv stimmt: Für die nächsten Jahre sei mit einer weiteren Verbesserung der Kapitalausstattung zu rechnen.