Seit zwei Jahren ist Harald Wolf, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, in Berlin. Der PDS-Politiker gilt als pragmatisch und liberal. Das erdrückendste Problem der Metropole ist der Schuldenberg von 60 Mrd. Euro, der nur in kleinen Portionen abgetragen werden kann. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" sprach Wolf über seine Pläne und die Zukunft seiner Stadt.
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Die Zeiten für Berlin sind schwierig. Die Stadtkasse ist leer, allerorten muss nach Einnahmequellen gesucht werden. Der Gestaltungsmöglichkeit für die Politik ist begrenzt, sollte man meinen. Doch Wolf, ein Optimist, beurteilt die Lage ganz anders: "Gerade in schwierigen Zeiten muss man umso mehr gestalten. Daran zeigt sich, wie gut die Politik ist."
Der PDS-Politiker, der früher ein Grüner war, fährt in Berlin einen pragmatischen Kurs, den er mit den Worten "ich bin nicht in die Regierung gewählt worden, um etwas für die Partei, sondern die Menschen der Stadt zu tun" rechtfertigt. Für ideologisches Geplänkel bleibt keine Zeit. Deshalb muss sich die Stadt, auch wenn es dem linken Regierungsbündnis aus SPD und PDS schwer fällt, von einigen ihrer Betriebe trennen, schon in den vergangenen Jahren wurde heftig privatisiert.
Im kommenden Jahr steht die Berliner Bank auf der Privatisierungsliste, verrät Wolf. Sie soll aus der Bankgesellschaft Berlin herausgelöst werden. Notwendig ist der Verkauf, weil die Bank, die zu 100% dem Land gehört, wegen fauler Kredite und unrentabler Immobilienfonds zur Belastung fürs Budget wurde. Zuletzt musste Rettungsbeihilfe geleistet werden.
Ebenfalls sollen die Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM) und die Berliner Stadtgüter, ein landwirtschaftlicher Betrieb mit rund 6.000 Rindern, verkauft werden. Es gebe keine Notwendigkeit, so Wolf, dass die Stadt diese Betriebe weiterführt: "Das sind keine öffentlichen Aufgaben." Neben dem Ausverkauf suchen die Berliner Politiker nach jeder Geldquelle. "Berlin ist überschuldet und kann aus eigener Kraft nicht herauskommen", ist Wolf überzeugt. Deshalb wird jetzt auch das Bundesverfassungsgericht bemüht. Es geht um 30 Mrd. Euro Schulden, die sich nach der Wende aufgehäuft haben. Für diese möchte Berlin Entschuldungshilfe vom Bund. Denn allein die Zinstilgung frisst jährlich 3 Mrd. Euro auf.
Die Ausgaben der deutschen Hauptstadt machen in diesem Jahr 17,5 Mrd. Euro aus. Das sind um 2,5 Mrd. Euro weniger als noch vor drei Jahren. Doch seit Beginn der rot-roten Koalition "wird ein harter Sanierungskurs gefahren", erklärt Wolf. So wurde den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die Einkommen um 8 bis 12% gekürzt. "Es war das erste Mal, dass es eine Kommune schaffte, in einem Tarifvertrag eine Einkommensreduktion festzuschreiben." Im Gegenzug darf es bis 2009 keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Wolf freut sich, dass die "extrem hohen Personalkosten von 7 Mrd. Euro damit auf 6,5 Mrd. Euro gesenkt werden konnten". Noch immer gebe es historisch bedingt zwei Verwaltungseinheiten. Wolf sprich vom "aufgeblähten Apparat".
Gestrichen wurden die Subventionen für Wohnungsbau, weil diesevor allem die Immobilienwirtschaft förderte, so der Senator. Einen Anstieg der Mieten hätte es deshalb nicht gegeben. Berlin Wohnungen seien immer noch günstig.
Auch Kultureinrichtungen und Universitäten müssen mit weniger Geld auskommen. So wurden auch den Berliner Symphonikern die Zuschüsse gestrichen, das Orchester ist nun insolvent. Trotz allem boomt der Tourismus, 2004 erwies sich als Rekordjahr.
Was dem Bundesland zu schaffen macht, sind die 280.000 Sozialhilfeempfänger. Sie kosten 2 Mrd. Euro pro Jahr. Doch Wolf glaubt nicht, dass Hartz IV die angemessene Antwort auf das Problem ist. Er geht davon aus, dass der Stadt durch die Zusammenlegung von Notstands- und Sozialhilfe ein Kaufkraftverlust von 300 Mio. Euro droht. Die Einsparungen liegen schätzungsweise bei mageren 150 Mio. Euro.
Zwar würde der Druck auf Arbeitslose steigen, einen Job anzunehmen, "der Effekt für Berlin ist allerdings gering", warnt Wolf. Denn auf 30 Suchende kommt im besten Fall ein Arbeitsplatz. Was die Politik indes fürchtet, ist steigende Zuwanderung aus dem Osten, weil dort die Sozialhilfe noch niedriger ist als im Westen. Die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe war richtig, doch die Leistung sei zu gering, kritisiert Wolf. Denn gerade die kleinen Einkommen wirkten sich auf die Nachfrage aus. Wenig hätte in dieser Hinsicht die Steuerreform gebracht. Sie begünstige nur die Wohlhabenden: "Ich habe um 300 Euro mehr, das ist bei meinem Gehalt absolut ungerecht."
Um die Nachfrage in der Metropole zu stärken, will die Berliner Regierung den Ladenschluss lockern, sofern ihr das Recht dazu vom Bundesrat eingeräumt wird. Wolf plädiert für offene Geschäfte von 6 bis 22 Uhr - ausgenommen Sonntag. In touristischen Gebieten kann er sich sogar eine völlige Freigabe vorstellen.
Teures Berliner Wasser
Was die Berliner belastet, sind die exorbitant gestiegenen Wasserpreise. Schuld daran ist der Verkauf von 49,9% der Wasserbetriebe im Jahr 1999. Heute spricht man von einer missglückten Teilprivatisierung. Ein Konsortium aus dem französischen Konzern Veolia und dem deutschen Versorger RWE bekam den Zuschlag. In den Verträgen wurde den Investoren eine Verzinsung von 8,3% versprochen, außerdem ist der Vertrag 15 Jahre nicht kündbar. Schon Anfang 2004 wurden die Wasserpreise um saftige 15% erhöht. Ab Jänner 2005 droht eine neuerlicher Preissprung um 6,5%. Bis 2008 wird Wasser um 25% teurer. Damit die Kosten für die Berliner nicht weiter explodieren, zahlt die Stadt nun aus ihrem Gewinnanteil einen Ausgleich an die privaten Investoren, die Höhe wollte Wolf jedoch nicht verraten.