Zum Hauptinhalt springen

Schuldenabbau wird zur Pflicht

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Milliardenbußen bei Verstößen. | Einigung mit EU-Parlament bis Sommer. | Sondersitzung der Finanzminister. | Brüssel. Mit Hochdruck arbeitet die EU an der Reform der Eurozone. Am Dienstag einigten sich die Finanzminister auf eine Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes. Diese werde "deutlich zur Stabilität des Euro beitragen", sagte Finanzminister Josef Pröll.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Um rechtzeitig vor dem entscheidenden EU-Gipfel Ende März ein Gesamtpaket für einen Ausweg aus der Schuldenkrise zu finden, treffen einander die Eurominister Anfang nächster Woche noch einmal. Dann sollen die Details für den dauerhaften Rettungsschirm "European Stability Mechanism" (ESM) geklärt werden, der über 500 Milliarden Euro verfügen soll. Es werde sich um eine Mischform von Kapitaleinlagen, Kreditlinien und Garantien handeln, so Pröll.

Der Stabilitätspakt schreibt den Euro-Mitgliedern schon bisher vor, ihr Defizit unter 3 Prozent und die Staatsschuld unter 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu halten. Theoretisch mögliche Sanktionen bei Verstößen wurden bisher allerdings nie verhängt. Das könnte sich ändern: Angedroht werden massive Geldstrafen, wenn Euroländer keine überzeugenden Maßnahmen unternehmen, um die Schuldenlast zu reduzieren. Künftig wird nicht nur bei Verstößen gegen die Defizit-, sondern auch gegen die 60-Prozent-Staatsschulden-Grenze vorgegangen. Ein EU-Strafverfahren könnte bei zu hoher Verschuldung auch dann eröffnet werden, wenn das aktuelle Defizit unter drei Prozent liegt. Um fünf Prozent pro Jahr müssen die Schulden dann zurückgefahren werden.

Strafen eher realistisch

Und die Möglichkeiten, Geldstrafen abzuwehren, werden reduziert. So muss bereits bei der Verfahrenseröffnung ein Pfand in Höhe von 0,2 Prozent des BIP hinterlegt werden. Für Österreich wären das rund 580 Millionen Euro, für Deutschland etwa 5 Milliarden. Binnen fünf Monaten müsste das Land beweisen, dass es Schritte zur Schuldenreduktion unternommen hat. Hält die Kommission das nicht für ausreichend und findet sich eine Mehrheit der Mitgliedstaaten, könnten de-facto-automatisch Sanktionen greifen.

Nur mehr mit einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten könnte der Verlust des Pfandes verhindert werden - laut Diplomaten wäre das praktisch unmöglich. Verhindert werden müsste eine Strafe also bereits bei der Einleitung des Verfahrens - oder der Feststellung der mangelhaften Maßnahmen gegen die Verschuldung - per Sperrminorität. Doch auch das könne wegen des "öffentlichen und politischen Drucks nur selten" gelingen, meinte Pröll. Offen bleibt, ob die Regeln nicht wieder abgeschwächt würden, falls ein großer Mitgliedstaat wie Deutschland oder Frankreich betroffen wäre. Einen Präzedenzfall dafür gab es bereits 2005.

Zusätzlich soll die Kommission ungleiche Wirtschaftsentwicklungen der Euroländer beobachten und frühzeitig Warnungen aussprechen. Weigert sich ein Land beharrlich, darauf zu reagieren, könnten Geldbußen in Höhe von 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung drohen. Die Verschärfung des Stabilitätspakts sei nahe an den Vorschlägen der EU-Kommission, sagte Wirtschaftskommissar Olli Rehn. Bis zum Sommer solle es auf dieser Basis eine Einigung mit dem EU-Parlament geben.

Damit haben die Minister bereits einige Elemente des geplanten Gesamtpakets abgearbeitet. Bereits fixiert ist der "Pakt für den Euro", den die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel unter dem Titel Wettbewerbspakt zur Bedingung für ein stärkeres deutsches Engagement bei den Eurorettungsschirmen gemacht hatte. Der aktuelle Schirm "European Financial Stability Facility" (EFSF) soll künftig seine nominellen 440 Milliarden Euro tatsächlich zur Verfügung haben, um schwankenden Euroländern unter die Arme zu greifen - und zwar vor allem durch eine Garantieausweitung der Triple-A-Euroländer.

"Signal an die Märkte"

Pröll und sein deutscher Kollege Wolfgang Schäuble hatten sich dagegen lange gewehrt, schwenkten aber schließlich um. Zwar habe sich der Bedarf potenziell betroffener Länder nicht geändert, meinte der Österreicher jetzt. Die Aufstockung sei aber ein Signal an die Märkte. Bei der Verabschiedung des Gesamtpakets beim EU-Gipfel Ende März "sollen keine Fragen offen bleiben."