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Schuldenschnitt ja oder nein?

Von Kurt Bayer

Gastkommentare
Kurt Bayer war Board Director in der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).

Ein "Grexit" wäre für alle die viel teurere Lösung.


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Der Marathon ist vorerst beendet, noch lebt der Schuldner. Allerdings wurde ein Schuldenschnitt kategorisch ausgeschlossen. Griechenland hat 330 Milliarden Euro Schulden, etwa 180 Prozent des BIP. Immer wieder hat es einen Schuldenschnitt auf "tragfähige" Größenordnungen verlangt, die Gläubiger haben bisher schon Schulden zeitlich gestreckt, die Zinssätze reduziert und 2012 schon einen Schuldenschnitt gewährt (den hauptsächlich die damals privaten Gläubiger bezahlten). Die meisten, wenn nicht alle Europartner lehnen einen weiteren Schuldenschnitt kategorisch ab, der diesmal öffentliche Gläubiger (ESM, IWF, EZB, andere Euroländer) träfe, lassen aber die Möglichkeit einer weiteren Fristerstreckung und Zinssatzreduktion offen.

Was bedeuten diese Optionen? Es ist offenkundig, dass Griechenland derzeit "nur" etwa 2 Prozent seines BIP für den Schuldendienst ausgibt, deutlich weniger als viele andere Euroländer. Die riesige Schuldenlast ist also kein primäres Budgetproblem, da die meisten Kredite erst ab den 2020er Jahren fällig werden und die Zinsen niedrig sind.

Griechenland will dennoch einen Schuldenschnitt aus zwei Gründen: Erstens hängt der riesige Schuldenrucksack wie ein Damoklesschwert über dem Land, da Gläubiger sich jederzeit auf die Schulden berufen und damit die Wirtschaftspolitik in ihrem eigenen Interesse beeinflussen könnten (wie realistisch das ist, bleibt dahingestellt). Zweitens werden Griechenlands potenzielle private Financiers, also Banken, Hedgefonds und vor allem die Ratingagenturen als Investorenagenten, das Land für kreditunwürdig erklären, solange die riesige Schuld besteht, die in der Diktion des IWF nicht "tragfähig" ist, da in keinem Prognoseszenario die Wirtschaft so expandieren kann, dass eine Rückzahlung realistisch wäre. Die Analyse der "Schuldentragfähigkeit" ist Teil des Diagnoserepertoires von Währungsfonds und Weltbank bei der Bewertung der Wirtschaftspolitik ihrer Mitgliedstaaten. Die Maastricht-Kriterien legten für den Eurobeitritt eine Schuldenquote von 60 Prozent des BIP fest - die Eurozone insgesamt, aber auch die meisten Euroländer sind davon derzeit weit entfernt. Aber als grobe Daumenregel könnte man den vom früheren IWF-Volkswirt Kenneth Rogoff (zusammen mit Carmen Reinhart) errechneten Schwellwert von etwa 90 Prozent des BIP als gerade noch "tragfähig" nehmen. Demnäch bräuchte Griechenland einen Schuldenschnitt von zumindest 50 Prozent. Zwar könnte es dann nicht sofort an die Finanzmärkte zur Finanzierung seiner Aktivitäten zurückkehren, aber zumindest wäre es auf einem weiten Weg dorthin. Das sollte doch letztlich auch das Ziel der anderen Euroländer sein.

Das (vage) Angebot, vielleicht über eine Schuldenerstreckung zu reden, aber keinesfalls über einen Schuldenschnitt, hilft Griechenland also nicht: Es wäre ein Schein-Entgegenkommen ohne positiven Effekt. Stimmt das, läge es an den Staatschefs der Euroländer, ihre widerstrebenden Wähler davon zu überzeugen, dass am Schuldenschnitt kein Weg vorbeiführt. Der oft beschworene "Grexit" als Folge einer Staatspleite wäre für die Europartner (und natürlich für Griechenland) die viel teurere Lösung, da dann sofort 100 Prozent der Schulden nicht einbringlich und damit verloren wären.