Chirac hatte als Pariser Bürgermeister 21 Parteifreunde aus Stadtkassa bezahlt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Paris. Wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und Vertrauensbruchs wurde der ehemalige französische Staatspräsident Jacques Chirac am Donnerstag von einem Pariser Gericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der 79-jährige konservative Politiker war der erste französische Präsident, der sich einem Gericht stellen musste.
In dem Prozess, der am 7. März eröffnet und wegen Verfahrensfragen kurz darauf auf 5. September vertagt wurde, ging es um Arbeitsverträge für 21 Mitarbeiter in Paris und 7 weitere in Nanterre, die Chirac als Pariser Bürgermeister (1977 bis 2005) aus der Stadtkasse bezahlen ließ. Die Beschäftigten arbeiteten aber hauptsächlich für Chiracs Partei Rassemblement pour la Republique (RPR) oder brachten gar keine Gegenleistung. Der Stadt Paris soll dadurch ein Schaden von 5 Millionen Euro entstanden sein. Die Stadt verzichtete aber auf eine Nebenklage im Prozess, nachdem Chirac und die RPR-Nachfolgepartei UMP der Stadtkasse mehr als 2 Millionen Euro erstattet hatten.
Einige der mit Jobs versorgten Chirac-Mitarbeiter sollen mit Aufgaben für dessen Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 1995 betraut gewesen sein. Andere, wie der Enkel des Chirac-Vorgängers Charles De Gaulle erhielten reine Gefälligkeitsjobs.
Für die Gefälligkeitsjobs in Nanterre war der damalige Außenminister Alain Juppé im Jahr 2004 zu 14 Monaten Haft auf Bewährung und einem Jahr Ausschluss von der Wahl in öffentliche Ämter bestraft worden. Juppé, der unter Chirac von 1995 bis 1997 Premierminister war, kehrte allerdings bereits 2006 in sein Amt als Bürgermeister von Bordeaux zurück und 2007 als Vizepremier und Umweltminister in die Regierung. Derzeit ist er Außenminister.
Neun Mitangeklagte
Der Prozess am 5. und am 23. September, in dem neben Chirac über neun weitere Angeklagte befunden wurde, hat so wie die Urteilsverkündung am Donnerstag in Abwesenheit Chiracs stattgefunden, dem die Ärzte "schwere Gedächtnisstörungen" attestiert hatten. Von den neun Mitangeklagten wurden zwei - Chiracs ehemaliger Kabinettschef Michel Roussin und der für Sportangelegenheiten zuständige Mitarbeiter Pierre Boue - freigesprochen und die übrigen zu Haftstrafen zwischen zwei und vier Monaten auf Bewährung verurteilt.
Chirac selbst erklärt am Donnerstag, er wolle nicht in Berufung gehen. Er besitze nicht mehr die "nötigen Kräfte, um vor neuen Richtern einen Kampf um die Wahrheit zu führen". Das Urteil weise er aber "kategorisch" zurück. Er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen.
Die Vorwürfe gegen Chirac waren schon während dessen Präsidentschaft publik geworden. Wegen der politischen Immunität konnte ein Verfahren aber erst eingeleitet werden, nachdem Chirac seine beiden Amtszeiten 2007 beendet hatte.