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Ehemann von Bhutto wirft Regierung Attentat vor. | Musharraf beschuldigt islamische Extremisten. | Neu-Delhi. Sie ist gewarnt worden. Und Benazir Bhutto ist dennoch gekommen. Taliban-Kämpfer hatten der früheren Premierministerin mit dem Tode gedroht, falls sie ihr Heimatland wieder betreten würde. Die Politikerin war kaum mehr als zehn Stunden zurück in ihrer Heimatstadt Karachi, als gleich zwei Bombenexplosionen das Freudenfest ihrer Anhänger in Terror und Schrecken verwandelten. Mehr als 130 Menschen kamen ums Leben, rund 500 wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt.
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Es besteht kein Zweifel, dass der Anschlag Bhutto galt. Nun wird heftig darüber spekuliert, wer der Oppositionsführerin, die unverletzt blieb, nach dem Leben trachtete.
Bhuttos Ehemann Asif Ali Zardari war mit Schuldzuweisungen rasch zur Stelle: "Die Regierung steckt hinter dem Anschlag. Es ist die Arbeit der Geheimdienste", sagte er in Dubai. Ein früherer Geheimdienstchef Pakistans hat diese Aussage umgehend als "wilde Unterstellung" abgetan. Der Dienst sei in der Vergangenheit nie in eine solche Sache verwickelt gewesen, verteidigte er die Ehre des mächtigen ISI. Doch dieser hat in der Geschichte Pakistans immer wieder eine zwielichtige Rolle gespielt und gilt bei Kritikern als "Staat im Staat". Der Inlandsgeheimdienst half mit, nach der sowjetischen Invasion Afghanistans 1979 die Taliban aufzubauen.
Bhuttos Gegenspieler, Pakistans Präsident Pervez Musharraf, verurteilte die Tat "als Verschwörung gegen die Demokratie". Er beschuldigte islamische Extremisten, den Anschlag verübt zu haben. Musharraf selbst hat in seiner achtjährigen Amtszeit bereits drei Attentate überlebt.
Zu viel Risiko
Auf der unteren Regierungsebene machte man aber deutlich, dass Bhutto selbst zu viel Risiko eingegangen sei. "Die Behörden wollten, dass Bhutto ihre Ankunftsparade schneller beendet", hieß es in Karachi. Rund 20.000 Sicherheitskräfte waren bei der Ankunft der Politikerin im Einsatz gewesen. Und obwohl Bhutto ein gepanzertes Fahrzeug zur Verfügung gestanden habe, hatte die Politikerin sich der Menschenmenge offen und ungeschützt gezeigt.
Bhutto hat hingegen dem Geheimdienst verärgert vorgeworfen, es mit ihrer Sicherheit nicht so genau genommen zu haben. "Die Straßenlichter sind ausgegangen, sodass die Selbstmordattentäter im Dunklen näher an das Fahrzeug herankommen konnten", sagte sie bei einer Pressekonferenz in Islamabad.
Die Ex-Premierministerin verdächtigt die Anhänger des früheren Militärdiktators Mohammed Zia-ul-Haq hinter dem Anschlag zu stehen - zumindest öffentlich. "Ich weiß genau, wer mich töten will", sagte sie einer französischen Zeitschrift.
Der Diktator Zia-ul-Haq hatten ihren Vater, Premierminister Zulfikar Ali Bhutto, 1977 abgesetzt, ins Gefängnis gesperrt und zwei Jahre später hinrichten lassen. Zia-ul-Haq selbst kam 1988 unter ungeklärten Umständen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Nach seinem Tod gewann Bhutto die Wahl und wurde im gleichen Jahr zum ersten Mal Premierministerin Pakistans.
Letzte Überlebende
Die vergangen acht Jahre verbrachte Bhutto in Dubai und London im Exil. Nun ist "die berühmteste Tochter des Landes" nach Pakistan zurückgekehrt, um ihre Partei in den Wahlkampf zu führen und mit Musharraf über eine Aufteilung der Macht zu verhandeln.
Trotz des Attentats will Bhutto in Pakistan bleiben. Ob sie aus Sicherheitsbedenken ihre öffentlichen Auftritte einschränken wird, ist noch unklar. Sie ist die letzte Überlebende einer Politiker-Dynastie.
Ihr Bruder Murtaza, der eigentlich das politische Erbe seines Vaters übernehmen sollte, floh nach der Absetzung seines Vaters ins damals kommunistische Afghanistan. Aus dem Ausland bekämpfte er mit einer militanten Widerstandsgruppe das pakistanische Militärregime. Kurz nach seiner Rückkehr in Pakistan wurde er 1996 unter mysteriösen Umständen erschossen. Auch Bhuttos anderer Bruder Shahnawaz, der ebenfalls politisch aktiv war, lebt nicht mehr. Er wurde 1985 in einem Appartement der Familie an der französischen Riviera tot aufgefunden.