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Schule als größtes Unternehmen wird zum Dienstleister

Von Heike Hausensteiner

Wissen

Mit 1,25 Millionen "Mitarbeitern", also Schülern wie Lehrern, sind die Schulen Österreichs zusammengenommen das größte Unternehmen des Landes. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert sind Reformen im | Bildungssystem angesagt. Die SPÖ setzt dabei besonders auf die Erwachsenenbildung und die europäische Integration, die noch nicht verwirklicht sei.


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"Raus aus dem Elefenbeinturm · hinein in ein modernes Dienstleistungsunternehmen" könnte die Devise der Sozialdemokraten im Hinblick auf Österreichs Bildungsinstitutionen lauten. Angesichts der in

den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegenen beruflichen Anforderungen will die SPÖ den Bereich der Erwachsenenbildung forcieren. Sowohl berufstätigen Studierenden in der Erstausbildung als auch

Berufstätigen im "Zweiten Bildungsweg" sollen sich die Universitäten und Fachhochschulen (FH) durch entsprechende Abendveranstaltungen, Fernstudienelemente etc. öffnen. Denkbar wäre das für die SPÖ

im Rahmen eines Bildungskontos oder Bildungsschecks. Das Bildungssystem soll sich vermehrt am lebensbegleitenden Lernen orientieren und Benachteiligungen ausgleichen. So steht es zumindest im

Bildungsprogramm, das im vergangenen Jahr am SP-Bundesbildungskongreß beschlossen wurde.

Gleiche Chancen für alle

Unter dem Stichwort "Chancengleichheit" subsummiert die SPÖ nicht nur ihre sozialpolitischen, sondern auch ihre bildungspolitischen Aufgaben, die sie für 8,6 Millionen Bürger noch keineswegs

abgeschlossen sieht. An der Gesamtschule (von der ÖVP als "Eintopf" bezeichnet) hält die SPÖ ebenso fest wie am freien Hochschulzugang, sprich: ohne Studiengebühren. Eine gemeinsame Mittelschule

würde "fragwürdige, weil zu frühzeitige und auf Grund unzuverlässiger Prognosen getroffene Entscheidungen über die Bildungslaufbahn" vermeiden, lautet ein Hauptargument dafür. Zudem weist die SPÖ

darauf hin, daß in Städten der überwiegende Teil der Schüler eine Unterstufe allgemeinbildender höherer Schulen (AHS) besucht, aber nur eine Minderheit eine Hauptschule (HS). Am Land ist dieses

Verhältnis umgekehrt.

Verben statt Ziffern

Um chancengleiche Ausbildung zu ermöglichen, sollen, geht es nach den Vorstellungen der SPÖ, das Wiederholen von Klassen sowie die Notengebung abgeschafft und durch eine verbale, die Motivation

fördernde, Leistungsbeurteilung ersetzt werden. Das sogenannte Frühwarnsystem, bei dem die Eltern am ersten Semesterende über einen drohenden Fünfer des Sprößlings informiert werden, kritisiert SPÖ-

Bildungssprecher Dieter Antoni als "zahnlos". Entscheidend sei vielmehr, einem heranwachsenden Menschen einen Ausbildungsabschluß zu gewährleisten. Die Abschaffung der Ziffernnoten sei nicht

leistungsfeindlich, sondern setze die Leistungsbereitschaft des einzelnen voraus, betont Hannes Swoboda als Vorsitzender der SP-Bundesbildungsorganisation.

Was die soziale Verantwortung des Staates betrifft, dürfe die öffentliche Hand keinesfalls das Heft aus der Hand geben. Im Gegenteil: Im tertiären Sektor (FH, Hochschulen und Unis) sollte der für

Forschung aufgewendete Anteil am Bruttonationalprodukt (BNP) von derzeit 1,5 Prozent auf mindestens zwei Prozent erhöht werden. Vorschläge, wie das gehen soll, will die SPÖ nachreichen.

Lehrerausbildung an der Uni

Eine zentrale Forderung bleibt die universitäre Ausbildung für alle pädagogischen Berufe "wie bei Ärzten oder Anwälten", also von der Kleinkinderpädagogik bis zur Hochschullehre. Eine

"einheitliche Lehrerbildung an den Hochschulen" hatte die SPÖ bereits in ihrem Linzer Programm von 1926 eingefordert. Nach dem massiven Widerstand beim Koalitionspartner ortet Bildungssprecher Antoni

mittlerweile ein "Einschwenken" bei der ÖVP, wie er gegenüber der "Wiener Zeitung" erklärte. Notwendig sind dazu ein neues Dienst- und Besoldungsrecht für Lehrer. Eine universitäre Lehrerausbildung

würde auch die an den Volksschulen gestartete Fremdsprachenoffensive fördern. Noch stößt der Fremdsprachenunterricht (zumeist in Englisch) bei den Volksschullehrern nicht auf die reinste Freude. In

Zukunft könnte in der Lehrerausbildung eine Fremdsprache verpflichtend vorgesehen sein. Wenn es "Erziehung zu Europa" heißt, sollen aber auch die Sprachen der Nachbarländer und der Volksgruppen

gefördert werden.

Die generelle Ausbildung an der Uni könnte innerhalb der nächsten beiden Legislaturperioden umgesetzt werden, freilich vorausgesetzt, daß es bei einer SPÖ-ÖVP-Koalition bleibt. Für den Fall, daß dem

so ist, wird es wohl auch eine Katholische Hochschule geben. Die konfessionellen Bildungseinrichtungen hätten eben dank Konkordat zwischen Österreich und dem Vatikan eine privilegierte Stellung

(Öffentlichkeitsrecht, Religionsunterricht, finanzielle Unterstützung usw.) zugesichert bekommen. "Wenn das alle privaten Schulen wollten, könnten wir uns das nicht leisten", weiß Antoni. Obwohl die

Katholische Kirche als moralische Instanz versagt habe, meint Hannes Swoboda, und obwohl die SPÖ mit dem Ziel angetreten sei, "alle religiösen Determinierungen des gesellschaftlichen Systems"

abzubauen (O-Ton Swobodas im soeben veröffentlichten Bildungsprogramm), werde es keine Initiative in Richtung Abschaffung des Konkordats geben. Die Auseinandersetzung sei auf die Diskussion über

Inhalte beschränkt. Die SPÖ könne bei der derzeitigen Regierungsform einen derartigen "Kampf nie gewinnen", sekundiert Wissenschaftssprecher Erwin Niederwieser. Zumal eine Zwei-Drittel-Mehrheit

notwendig wäre und die entsprechenden Verhandlungen mit dem Vatikan der Außenminister führen müßte.