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Schule als magischen Ort entwerfen

Von Christoph Irrgeher und Brigitte Pechar

Politik

Ganztagsbetreuung steht ganz oben auf der Prioritätenliste. | Öffentliche Schulen müssen höchste Qualität anbieten. | Finanzbedarf der Bundesmuseen und -theater rasch klären. | "Wiener Zeitung":Sie waren sicherlich die größte Überraschung im Kabinett Gusenbauer. Womit werden denn Sie die Österreicher überraschen?


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Claudia Schmied: Mit einem neuen Stil und einem neuen Zugang im Politischen.

Wie drückt sich das aus?

Dass ich die Menschen, die mit den Fragestellungen arbeiten, auch persönlich kennen lerne. Das halte ich auch im Ministerium so. Noch diese Woche werde ich die Klubobleute der Parlamentsparteien, die Kultursprecher und die Bildungssprecher treffen, um auch hier eine gute Gesprächsbasis aufzubauen. Zunächst einmal, das ist am Tag 12 noch möglich, führe ich allgemeine Gespräche.

Wir müssen trotzdem in Einzelthemen gehen. Bundeskanzler Gusenbauer hat im Wahlkampf das Bild geprägt, dass die Kinder nach der Schule mit ihrer Arbeit fertig sind und Familie und Freizeit genießen können. Wann werden wir das erleben?

Wenn wir die Prioritätenliste durchgehen, ist das Thema Ganztagsbetreuung beziehungsweise Ganztagsschule ein Pflichtprogramm. Das ist ganz oben auf der Agenda. Ich denke, dass das auch mit der jetzt aktuell diskutierten Nachhilfe zusammenpasst. Das alles ist Teil eines Betreuungsprogrammes für die Kinder. Da ist es mir wichtig, Betroffene zu Beteiligten zu machen und sehr rasch mit Eltern in Gespräche einzutreten. Auf dieser Basis werde ich dann eine Entscheidung treffen. Da habe ich in der Bank einen Begriff geprägt: Kultur der Begründbarkeit. Also Entscheidungen, die ich treffe, werde ich begründen.

Eltern zahlen 140 Millionen Euro pro Jahr für Nachhilfe. Es gibt Nachmittagsbetreuung, die aber für berufstätige Eltern nicht reicht, zu wenig Lernmöglichkeiten bietet.

Man muss Bildung und Schule in engem Kontext zur Wirtschaft sehen. Da wird der Druck immer größer. Es braucht daher Entlastungsmodelle.

Um noch kurz bei der Nachhilfe und konkret beim Angebot des Bundeskanzlers, einmal pro Woche an einer Wiener Schule Nachhilfe zu geben, zu bleiben: Einige Landesschulräte haben schon angekündigt, dass das nicht so leicht möglich sein wird.

Rechtlich ist das geklärt. Wenn der Bundeskanzler in die Schule kommt, um Nachhilfe zu geben, sehe ich das nicht unter dem Prätext der politischen Einflussnahme. Er ist der höchste Regierungsvertreter und zeigt daher höchste Wertschätzung für dieses Anliegen - zu Recht, weil das ganz oben auf der Agenda steht.

Vor allem im Lehrerbereich gibt es große Vorbehalte gegenüber einer Gesamtschule.

http://wzat-staging/Images/2007/1/23/948_008_179908_230105schmi.jpg Der Bereich Gesamtschule ist ein Projekt, das ich behutsam angehen werde, wobei ich da schon in den ersten Tagen beobachtet habe, dass bereits die Begrifflichkeit rasche Reaktionen auslöst, ohne noch über Inhalte gesprochen zu haben. Daher werde ich die Ebene wechseln und die Kraft der Zukunftsbilder wirken lassen. Da habe ich als erste Bilder die "gemeinsame Schule der Vielfalt" oder die "Schule als magischer Ort" als Grobskizzen. Ausgehend von der Vorstellung eines Zukunftsbildes sollte man dann erst auf das Hier und Jetzt schauen. Das bekommt eine völlig andere Dynamik, und man kommt energetisch in positive Bereiche. Es muss niemand etwas verteidigen, es muss niemand etwas rechtfertigen. Also wir leisten uns bei diesem zentralsten Bereich österreichischer Politik die Investition in die Zukunft. Darum bin ich auch sehr froh über die Verknüpfung mit Kunst und Kultur. Kunst und Kultur verstanden als Verfeinerung, als Sensibilisierung. Ich bin aber Realistin und Betriebstwirtin genug, um zu wissen, dass das ein längerfristiges Projekt ist.

Es klingt natürlich sehr schillernd, aber dafür braucht man sehr viel mehr Geld. Für heuer haben Sie im Bildungsbereich Mehrausgaben von 35 Millionen Euro, 2010 sollen es dann 200 Millionen mehr sein.

Da haben Sie Recht. Für das Bild, das in der Zukunft liegt, braucht man sehr viel mehr Geld. Meine bisherige Erfahrung zeigt, wenn man einmal beginnt, in Zukunftsbildern zu denken, nimmt man das Bestehende anders wahr. Nach dem Satz: "Du siehst, was du weißt." Die Qualität meiner Politik nach vier Jahren möchte ich nicht daran gemessen haben, wie viel mehr Budgetmittel ich durchgesetzt habe. Ich denke, dass die Qualität der Politik in anderen Bereichen liegt. Es gilt ja auch, das Bestehende auf neue Werthaltungen auszurichten.

Haben Sie schon klarere Vorstellungen, wie Ihre einzelnen Handlungsschritte sein werden - etwa für die Verringerung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25?

Wir werden kommendes Wochenende in eine interne Klausur gehen und mit Beteiligten Szenarien ausrechnen. Da kann ich Ihnen jetzt noch keine Details sagen, außer, dass das prioritär behandelt wird.

Also zuerst Ganztagsschulen und Verringerung der Klassenschülerhöchstzahl. Wie sieht es mit einem verpflichtenden Vorschuljahr aus?

Ich denke, dass wir vor allem die Thematik Sprache in den Vordergrund stellen. Die Kenntnis der Sprache, in der unterrichtet wird, ist ganz wesentlich für das eigene Lernen, aber auch für soziale Integration. Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, können sich an einer deutschen Schule nicht integrieren. Daher ist das auch unter dem Aspekt der Integration ein großes Thema.

Wir müssen aber auch darauf achten, dass die öffentlichen Schulen höchste Qualität anbieten. Wenn das Angebot nicht passt und die Eltern das Vertrauen verlieren und in Privatschulen ausweichen, dann könnten sie sich möglicherweise die Frage stellen, warum soll ich zwei Mal zahlen. Einmal über die Steuerleistung und einmal über das private Schulgeld.

Ab wann verpflichtend?

Das kann ich jetzt noch nicht sagen, ich kann nur feststellen, dass mir das ein sehr großes Anliegen ist, vor allem vor dem Hintergrund der Integration.

Sie sprechen von einer "Kultur der Begründbarkeit" - Kunstschaffende reden lieber von einer "Kultur der Finanzierbarkeit", diskutieren viel über Geld. Denken Sie, durch Ihren Wirtschafts-Hintergrund einen neuen Ansatz für die Kultur einzubringen?

Ich habe bemerkt, dass mein Erfolg auch daran gemessen werden wird, wie sehr es mir gelingt, Finanzierungsmittel zu gewinnen. Mir ist aber genau so klar, dass Kulturnicht nur Finanzpolitik ist, sondern viel weiter geht. Kunst, Kultur sind Grundnahrungsmittel der Gesellschaft.

Sie haben angekündigt, die Staatsopern-Nachfolge bis April zu klären. Die Bundestheater und -museen rufen seit langem nach mehr Geld. Wann soll das geklärt sein?

Das muss rasch passieren, die Budgetverhandlungen werden bald beginnen - wahrscheinlich noch im ersten Quartal. Es wird zu meinen zentralen Aufgaben gehören, profunde Grundlagen darzulegen. Mir ist bewusst, dass sich hier wohl in der Vergangenheit ein Finanzbedarf aufgestaut hat.

Halten Sie es für klug, dass der Kunstunterricht in den Schulen reduziert wurde?

Ich glaube, Kunst lässt sich weder in ein Ressort noch eine Stunde zwängen.

Aber eine ist doch besser als keine.

Da haben Sie Recht. Aber Kunst und Kultur müssen alle Bereiche durchfluten - das betrifft den Finanzbereich genau so wie die Bildung. Da gilt es, denke ich, neue Formen zu entwickeln: etwa Workshops, wie sie die Wiener Symphoniker an Schulen betreiben.

Kritik an vorhandenen Strukturen hören wir nicht?

Hören Sie nicht, weil ich mich noch nicht so intensiv damit beschäftigt habe. Und ich möchte nicht über Vorurteile zu meinen Schlüssen kommen.

Zur Person

Claudia Schmied (47) ist Wienerin und stammt aus einem sozialdemokratischen Elternhaus. Einen Tag nach Abschluss ihres Betriebswirtschaftsstudiums begann sie 1983 in der Kommunalkredit in der Finanzierungsabteilung. 1989 wurde sie dort stellvertretende Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik, 1995 Leiterin der Abteilung Unternehmensfinanzierungen.

Schmied hat die Politik bereits auf höchster Ebene kennen gelernt, nämlich als sie von 1997 bis 2000 für Finanzminister Rudolf Edlinger in dessen Kabinett als Beraterin tätig war. Aus dieser Zeit kennt sie auch Parteichef Alfred Gusenbauer sehr gut, der sie jetzt in die Politik geholt hat. Eine halbe Stunde hatte sie Bedenkzeit erbeten, ehe sie dem Kanzler ihre Zusage gab.

2000 kehrte sie in die Investkredit zurück und wurde 2004 in den Vorstand der Kommunalkredit Austria berufen. Damit war sie eine von drei Frauen in einem Bankenvorstand in Österreich. Praktische Erfahrung mit dem Kulturmanagement sammelte Schmied unter anderem im Kuratorium der Salzburger Festspiele und im Vorstand der Wiener Symphoniker.

Biographie