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Neuerscheinung zu Schulerfolg und sozialer Herkunft. | Wie wird wer in Österreich Akademiker? Dieser Frage ist in den 60er-Jahren der mittlerweile in Vergessenheit geratene Ökonom Adolf Kozlik nachgegangen. Das Ergebnis seiner Studie deckt sich mit den Schlüssen, die die Autoren des Buches "Keine Chance für Lisa Simpson? Soziale Ungleichheit im Bildungssystem" ziehen.
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In Österreich sind Bildungserfolg und Milieuzugehörigkeit immer noch eng miteinander verflochten, sagen die Autoren des Sammelbandes und führen als Beleg renommierte Soziologen wie Pierre Bourdieu oder Antonio Gramsci, aber auch die letzte Pisa-Studie an. Tenor: Eltern, die über hohe Bildungsabschlüsse (und, damit oft einhergehend, das nötige finanzielle und kulturelle Kapital) verfügen, vererben ihren sozialen Status an die Sprösslinge. Um dieser Praxis einen legitimen Anstrich zu geben, werden die Begriffe Leistung und Begabung ins Spiel gebracht. Zwei Größen, die in der staatlichen Institution Schule zum Tragen kommen und künftige Lebenschancen maßgeblich mitbestimmen.
Ideologie der Begabung
In der Realität, so die Tendenz des Buches, funktionieren die schulischen Spielregeln so, dass etwa Akademikerkinder, vorgeblich einer "natürlichen Begabung" gehorchend, die Anforderungen mehr oder weniger mühelos erfüllen, während Kinder aus bildungsfernen Schichten scheitern, nach und nach "ausgesiebt" werden. Was von Lehrern, Eltern, Schülern als biologisch angelegte Fähigkeit oder Unfähigkeit verstanden wird, ist in Wirklichkeit ein Set an Verhaltensweisen und Einstellungen, das von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben wird und über schulischen Erfolg oder Misserfolg entscheidet.
Wer seine vorgebliche kognitive Unterlegenheit einmal akzeptiert hat, neigt dazu, Hierarchien nicht in Frage zu stellen. "Weil ich dumm bin, drehe ich in einer Fabrik Schrauben in Felgen", zitiert Stefan Vater (S.58) einen Arbeiter.
So gesehen wirkt Schule in einer von Ungleichheit geprägten Gesellschaft als stabilisierender Faktor. Übrigens: Je früher man Kinder verschiedenen Schultypen zuweist, desto eher sind sie in der Lage (oder dazu verdammt), den sozialen Status ihrer Eltern zu übernehmen.
Ingolf Erler (Hg.)
Keine Chance für Lisa Simpson? Soziale Ungleichheit im Bildungssystem
edition mandelbaum
310 Seiten, 17,80 Euro
Gesellschaftskritisch.