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Schule? - "Ein Ort, von dem alle schnell wegrennen"

Von Brigitte Pechar

Politik

Interview mit Bildungsexpertin Christa Koenne. | "Leidensdruck für Reformen ist groß." | "Wiener Zeitung": Demonstrieren die Schüler zu Recht? | Christa Koenne: Sie haben gut gelernt von den Lehrern. Jedenfalls aber ist es ein Armutszeugnis für die Schule. Schule ist ein Ort, von dem alle so schnell wie möglich davonrennen. Es ist offenbar ein stressiger Ort und nicht der Muße zum Lernen. Aus Sicht der Schüler ist der Protest verständlich, aus Sicht des Systems bedauerlich.


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Was läuft schief?

Es läuft vieles schief. Schule ist ein Ort, wo gescheite Experten in einer dummen Organisation arbeiten. Die Lehrer wissen, dass eine Stunde Chemie pro Woche nichts bringt, für viele Lehrinhalte macht der 50-Minuten-Rhythmus keinen Sinn - aber es gibt keinen Gestaltungsspielraum. Die Experten wissen, wie es besser geht, aber weil das System obrigkeitshörig ist, wird ihre Expertise nicht handlungsrelevant.

Wie wäre das zu lösen?

Es muss einen Schritt in eine organisatorische Autonomie geben. Wie sollen Lehrer Schüler lehren, Verantwortung zu übernehmen, wenn sie selbst keine Verantwortung tragen.

Wie beurteilen Sie die Einigung zwischen Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Lehrer-Gewerkschaft?

Es ist mehr von demselben. Aus diesem Streit ist niemand als Gewinner hervorgegangen. Ich hoffe, dass die Verletzungen nicht zu tief sind. Schmied hatte einen hohen Vertrauensvorschuss, aber vor allem bei engagierten Lehrern ist die Enttäuschung groß. Sie muss nun Vertrauen aufbauen - was sehr schwer ist in einer Misstrauenskultur, wie sie in der Schule herrscht. In dieser Debatte wurden Einsparungen und Schulentwicklung vermischt. Das hatte keine Glaubwürdigkeit. Die Abschaffung der schulautonomen Tage bringt weder Geld noch Verbesserung.

Das Budget ist jetzt für zwei Jahre fixiert. Kann es in dieser Zeit gelingen, große Reformschritte vorzubereiten?

Ich bin optimistisch, denn der Leidensdruck ist groß genug. Schmied muss nun handlungsfähige Lehrer ins Boot holen. Ein Jahresarbeitszeitmodell ließe sich in der Zeit entwickeln. Ich wünsche mir eine Schule, die auch im Sommer bespielt wird. Das könnte Betreuungsprobleme lösen und Kindern helfen, die nachlernen müssen.

Christa Koenne ist Didaktikerin an der Uni Wien. Sie war 18 Jahre AHS-Direktorin, seit 1998 leitet sie die Pisa-Science-Gruppe Österreich.