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In Schulungen sollen Unternehmen auf mögliche Überfälle vorbereitet werden.
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Wien. "Nur nicht wehren! Machen Sie alles, was der Einbrecher verlangt." Diese Regel wird Mitarbeitern von Wiener Friseurläden, Trafiken, Lokalen und Geschäften bei Sicherheitsschulungen der Polizei beigebracht. Die Polizei rät in diesen Schulungen entschieden davon ab, die Situation eskalieren zu lassen. "Es ist wichtig, dass die Geschäftsinhaber nicht selbst zur Waffe greifen, denn dadurch passieren die meisten Verletzungen. Wir appellieren an die Mitarbeiter, in solch einer Situation an die Sicherheit der Kunden zu denken, die in einem Schusswechsel verletzt oder getötet werden könnten", sagte Wolfgang Haupt vom Landeskriminalamt bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Wirtschaftskammer Wien und der Polizei, bei der aktuelle Zahlen zu Überfällen in Wien präsentiert wurden.
Ruhig bleiben und nicht zur Waffe greifen
Auch, wenn ein Geschäftsinhaber als Held in den Medien gefeiert werden könnte, weil er erfolgreich einen Einbrecher mit der Waffe in die Flucht geschlagen hat, gilt für Haupt der Grundsatz: "Das Leben geht immer vor. Die Ware ist nebensächlich."
Bei den Schulungen wird den Mitarbeitern und Inhabern von Geschäften nicht nur beigebracht, wie sie sich während, sondern auch vor und nach einem Überfall verhalten sollen. "Es ist wichtig, aufmerksam zu sein, zu überprüfen, ob die Überwachungskameras richtig eingestellt sind, zu schauen, ob jemand das Geschäft beobachtet, und die Kassenstände gering zu halten", erklärte Haupt. Nach dem Einbruch sei es von Bedeutung, die Spuren nicht zu zerstören.
Bei der Organisation dieser Schulungen arbeiten Polizei und Wirtschaftskammer zusammen. "Wir schauen gemeinsam, wo es Schwierigkeiten gibt. Wir von der Wirtschaftskammer laden dann die Unternehmen zu diesen Schulungen, Sitzungen und Stammtischen ein", sagte Wirtschaftskammerpräsidentin Brigitte Jank.
1,5 Prozent des gesamten Warenumsatzes würden laut Jank pro Jahr durch Diebstahl verloren gehen. "Das sind 500 Millionen Euro. Es ist wichtig, das was sich die Unternehmen aufgebaut haben, auch zu schützen."
Die Unternehmen erhalten regelmäßig Informationen von der Polizei: "Wird beispielsweise ein Taschendieb in der Nähe eines Geschäftes vermutet, schicken wir eine SMS an die Mitarbeiter, die dann auch ihre Kunden warnen können", erklärte Karl Mahrer, Vizepräsident der Landespolizei Wien.
Friseurstammtische und Sicherheitsschulungen
Speziell der Taschendiebstahl würde der Polizei in Wien Sorgen bereiten. Im ersten Halbjahr 2013 war es zu 1504 Diebstählen gekommen. Ein weiterer Problempunkt sei Mahrer zufolge der Friseur- und Gastronomiebereich. "Momentan gibt es viele Einbrüche in diesem Bereich. Wir versuchen hier, mit Sicherheitsschulungen und regelmäßigen ‚Friseurstammtischen‘ anzusetzen."
Bei den Stammtischen sollen die Mitarbeiter unter anderem darüber aufgeklärt werden, wie sie ihre Geschäfte sicherer machen können. Wichtig sei laut Mahrer beispielsweise eine gute Beleuchtung des Geschäftes in der Nacht und das Einbauen von Sicherheitstüren.
Das Anbringen solcher Sicherheitstüren könne auch viele Kellereinbrüche verhindern. Diese sind im ersten Halbjahr 2013 in Wien stark angestiegen: Kam es laut Statistik 2012 zu 620 Einbrüchen, waren es in diesem Jahr 3136 Kellereinbrüche. "Das Problem ist, dass viele Leute keine Türe zwischen Keller- und Wohnraum haben. Wenn sie eine haben, dann ist diese meistens nicht abgesperrt, oder es handelt sich eben nicht um eine Sicherheitstüre", meinte Mahrer. Polizeibeamte werden nun in Wohngebiete geschickt, um die Bevölkerung über diese Mängel aufzuklären. Auch in diesem Bereich gibt es eine Kooperation zwischen Polizei und Wirtschaftskammer.
Im Bankensektor wurde nach dem Jahr 2007, in dem es 76 Überfälle gab, ein Jour fixe eingerichtet. Viermal im Jahr werden nun die Bankangestellten auf die Möglichkeit eines Überfalles vorbereitet.
Zahl der Überfälle auf Banken ging zurück
Darüber hinaus hat die Wirtschaftskammer eine Ergreiferprämie ausgelobt. "Wir wollen damit nicht erreichen, dass die Leute Verdächtige wirklich ergreifen, sondern Hinweise auf mögliche Täter liefern", meinte Jank dazu. Die Zahl der Überfälle im Bankenbereich ging seit 2007 um 70 Prozent zurück. 16 Überfälle gab es im ersten Halbjahr 2013. Zurückgegangen ist auch die Zahl der Überfälle auf Trafiken, Supermärkten und Drogerieketten.
Der letzte Höchstwert im Taxiraub wurde 2009 mit 35 Überfällen gemessen. "Hier konnten wir nicht nur mit Schulungen ansetzen. Es ist auch wichtig, dass man in Taxis vermehrt bargeldlos zahlen kann, damit erst gar nicht viel Geld im Auto ist", erklärte Mahrer. Im ersten Halbjahr 2013 kam es zu zehn Überfällen auf Taxis.
Insgesamt baut die Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung auf vier Säulen auf: dem Streifendienst, der Ermittlungsarbeit, der Tatortarbeit und der Prävention. In der Präventionsarbeit sind 300 Polizisten tätig, die beispielsweise direkt zu den Unternehmen gehen und ihre Geschäfte auf Einbruchsicherheit überprüfen, oder Sicherheitsschulungen leiten.
Wolfgang Haupt erklärt in den Schulungen abschließend, wie wichtig die Täterbeschreibung ist: "Wir sagen den Geschäftsinhabern und Mitarbeitern, dass sie bei einem Überfall die Täter genau beobachten sollen, um den Polizeibeamten hinterher eine Beschreibung liefern zu können. Dabei kann jedes Detail von Bedeutung sein; beispielsweise, ob der Einbrecher einen Hut oder eine Brille trägt."