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Schule wirtschaftlicher Ignoranz

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Am liebsten sind die Österreicher pauschal dagegen, egal ob gegen die EU, Erbschafts- steuer oder Unternehmensgewinne. | Irgendwoher müssen die Vorurteile aber kommen.


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Während der aktuellen Diskussion um die Abschaffung der Erbschaftssteuer fanden Experten heraus, dass sich in Österreich eine besondere Mehrheit von Erbschaftssteuer-Gegnern fast automatisch herstellen lässt: Alle, deren bescheidene Vermögens- und direkte Verwandtschaftsverhältnisse einen Zugriff der Erbschaftssteuereintreiber gar nicht zuließen, lehnen sie dennoch kategorisch ab. "Bedauerlicherweise prägen größtenteils wenig fundierte ,Meinungen die österreichische Diskussion über Vermögensverhältnisse", sagte kürzlich Peter Mooslechner, Volkswirtschafter der Nationalbank, bei einer Tagung der Waldviertel Akademie zum Thema Gerechtigkeit. Die Einschätzung, dass Erbschafts- und Schenkungssteuern vor allem "Mittelstandssteuern" seien, gehe an der ökonomischen Realität vorbei.

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie leicht sich rechnerische Ökonomie durch Bauchgefühl ersetzen lässt, und zwar ideologisch rauf und runter. Zumeist überwiegt das dumpfe Gefühl, auf jeden Fall ausgebeutet zu werden - eine Gemütslage, die leider durch die ethikferne Geldsucht von Spitzenmanagern und Konzernordnungen angeregt wird.

Bei den Wirtschaftsgesprächen in Alpbach belegte der Professor für Wirtschaftsethik Christoph Lütge unter Zitierung einer Bankenstudie, dass 37 Prozent der Bürger hohe Unternehmensgewinne für moralisch verwerflich halten, aber sogar 75 Prozent meinen, sie nützten der Gesellschaft überhaupt nicht. Das sind deutsche Zahlen, die sich aber von österreichischen kaum unterscheiden werden.

Die wirtschaftsfeindliche Koalition, in der sich auch die Exklusivleser der größten Tageszeitung mit den 45 Prozent der Österreicher verbinden, die keine Steuern zahlen und dennoch genau wissen, was ihnen an öffentlichen Leistungen zusteht, muss irgendwo einen Nährboden auch im geistigen Bereich haben. Verdächtig ist auch die Schule, in der die Lehrpläne vielleicht in der Theorie, aber gewiss nicht im Lehrbetrieb die Darstellung wirtschaftlicher Zusammenhänge bewältigen. Es wird positive Ausnahmen geben und gewiss auf allen Schulstufen auch Lehrer, die sich um das Gegenteil verdient machen. Dennoch dürfte heute die Partei der Grünen in der Wahrnehmung wirtschaftlicher Realität weiter entwickelt sein als manche grüne Lehrer, die auf der Stufe einer Fundamentalskepsis gegen alles verharren, was "die Wirtschaft" betrifft.

Die feindselige Einstellung wird in solchen Fällen von Schülergeneration auf Schülergeneration weitergereicht, und wenn der Schulabschluss da ist, ist die Ernte an Schlagworten reich. Aus der unbestreitbaren Tatsache, dass es in der Wirtschaft Gauner gibt, bleibt die Wirtschaft als einzige Gaunerei in den Hirnen haften. Die Mühe, Grundkenntnisse zu ermitteln und einfachste Zusammenhänge zu analysieren, hat sich offenbar niemand gemacht.

In den verlorenen Bildungsjahren muss selbstverständlich auch das EU-Image verkommen. Dass viele Österreicher allen Ernstes die Nachteile der EU-Mitgliedschaft für gewichtiger halten als deren Vorteile, muss ja auch damit zusammenhängen, dass längst nicht alle Lehrer darstellen können oder wollen, dass Österreich in den Jahren seit 1995 einen Wohlstand erreicht hat, der etwa dem der Schweiz entspricht. Die falschen Meinungen breiten sich aus, weil den jungen Menschen zu wenige Fakten geboten werden.

An den Lehrplänen allein kann es nicht liegen, sie würden schon jetzt Raum für Bekämpfung der Wissenslücken bieten.