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"Schule zipft mich an"

Von Bernd Vasari

Politik

Mit Lehrabschluss wird Risiko der Arbeitslosigkeit auf ein Drittel reduziert.


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Wien. Jasin Ameti (18) arbeitet gerne. "Ich kann Tag und Nacht arbeiten", sagt er. Das sei kein Problem. Nur mit dem Lernen in der Schule konnte er wenig anfangen. "Ich habe versucht zu lernen, bin aber immer dabei eingeschlafen." Irgendwann hat Ameti die Schule abgebrochen.

Nur wie geht es danach weiter? Viele Jugendliche sitzen dann daheim herum und "kriegen ihren Hintern nicht mehr hoch", erzählt Janine Leber (21), die ihre Lehrausbildung nachholt. Um Jugendlichen ohne abgeschlossene Ausbildung einen Wegweiser zu geben, wurde nun das interaktive Projekt "Unentdeckte Talente" entwickelt. Auf der dazugehörigen Homepage finden sich Videos von ehemaligen Schul- und Lehrabbrechern, die über ihren Bildungsausstieg und den Weg zurück erzählen. Daneben gibt es einen Fragebogen, der auf Basis der angekreuzten Antworten ein Profil mit geeigneten Anlaufstellen erstellt. Gefragt wird etwa, ob man noch in die Schule geht oder bereits eine Lehre begonnen hat. Auch die Beziehung zu den Eltern und ob man bereits eigene Kinder hat, sind Teil der Profilerstellung, die anonym durchgeführt wird.

"Im System befinden sich bei 100 möglichen Ergebnissen etwa 80 verschiedene Anlaufstellen mit Adresse, Öffnungszeiten, Telefonnummer, Homepage und einer Markierung in GoogleMaps, wo man die Einrichtung finden kann", sagt die Projektgründerin Doris Landauer. Die Zielgruppe sind die 15- bis 25-Jährigen, deren höchste Ausbildung ein positiver Pflichtschulabschluss ist. Jeder vierte Wiener Jugendliche, der in diese Zielgruppe fällt, ist arbeitslos. Mit dem Projekt soll nun erreicht werden, dass mehr dieser Jugendlichen die Sekundarstufe abschließen. Diese umfasse eine Lehrausbildung oder den Abschluss einer Mittleren oder Höheren Schule, so Landauer. Denn: Mit dem Abschluss einer Lehre können junge Menschen ihr Risiko, arbeitslos zu bleiben oder zu werden, auf ein Drittel reduzieren, betont die Projektleiterin.

Versicherung gegen Arbeitslosigkeit

Das Projekt wurde im Auftrag des Arbeits- und Sozialministeriums und im Rahmen des Arbeitsmarktservices (AMS) Wien durchgeführt. "Mit dieser Website haben wir nun ein Kommunikationsmittel, das sich direkt an die Jugendlichen wendet und auch ihre Sprache spricht", sagt Minister Rudolf Hundstorfer. "Wir wollen die jungen Menschen überzeugen: Ein guter Bildungsabschluss ist die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit."

Die Gründe für einen Schul- oder Lehrabbruch sind vielfältig: Neben der Unlust am Lernen sind für viele Jugendliche auch Probleme mit den Lehrern ein Grund, die Schulkarriere zu beenden. Ein weiterer Grund sind auch Entlassungen, wie im Fall von Markus Hörandl (22). Dieser hatte die Pflichtschule abgeschlossen und mit der Lehrausbildung zu "Einzelhandel Lebensmittel" begonnen. In der Probezeit fiel er durch und wurde daraufhin entlassen. Den Grund dafür erfuhr er nicht.

Die darauffolgende Arbeitssuche sei mehr als mühsam gewesen, sagt er. Das kennt auch Jasin Ameti. "Wenn man Glück hat, einen Job zu bekommen, sind es bestenfalls Hilfsarbeiterjobs", erklärt er.

Auf die Hilfe der Eltern können auch nicht alle Schul- und Lehrabbrecher zählen. Deswegen würden Appelle an die Eltern, sich um ihre Kinder zu kümmern, oftmals ins Leere laufen, ist sich Doris Landauer sicher. Teilweise agieren Eltern sogar kontraproduktiv, indem sie verhindern, dass ihre Kinder zum AMS gehen.

Rene Polak (21) wurde etwa nach seinem Schulabbruch auch noch von seiner Mutter hinausgeschmissen und war danach für längere Zeit obdachlos. Bei Bewerbungen wurde er immer wieder gefragt: "Herr Polak, warum haben Sie so lange nichts gemacht?" Mit der Antwort "Ja, ich habe halt keine Wohnung gehabt, es war nicht so einfach für mich, aus dem Nichts etwas aufzubauen", schockierte er viele.

Schulabbruch und

keine Wohnung

Für Doris Landauer steht fest: "Wir müssen an diese Jugendlichen herankommen und ihnen dann eine Hilfeleistung geben." Liegt die Arbeitslosigkeit bei Wiener Jugendlichen mit maximal Pflichtschulabschluss noch bei 25 Prozent, so ist sie bei jenen mit Lehrabschluss nur noch bei acht Prozent", sagt sie.

"Bildung ist aber auch der Schlüssel zu mehr Wohlstand, einem gesünderen und erfüllteren Leben und wirkt vorbeugend gegen Armut und Kriminalität - und sie ist der Schlüssel zu mehr Demokratie und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Und das ist zu unser aller Vorteil", betont die Expertin.

Neben der Homepage sollen die Jugendlichen in Zukunft auch als sogenannte Buddies fungieren, um sich gegenseitig zu helfen und zu motivieren. Die Netzwerke, die dadurch entstehen, sollen die Jugendlichen dann auch beruflich nutzen können.