Unter dem Titel "Anne Frank - Eine Geschichte für heute" wurde am Freitag in der HTL Ungargasse 69 in Wien-Erdberg eine Anne-Frank-Ausstellung eröffnet. Sie soll ein Jahr lang durch insgesamt zehn Wiener Schulen wandern und wird von den Schülern selber aufgebaut und organisiert. Auch die Führungen werden von Jugendlichen geleitet.
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Ein dunkel gekleidetes Mädchen mit einem leuchtend gelben Judenstern liegt zusammengekrümmt in einer Ecke, zwei Frauen putzen mit Zahnbürsten den Boden, ein blasser Bursche verteilt hastig weiße Zettelchen mit der fett-gedruckten Aufschrift: "Gegen Rassismus und gegen Hitler." In der großen Halle der HTL Ungargasse betritt ein ernst-blickender Schüler das Rednerpult. Plötzlich schnellt seine rechte Hand ruckartig in die Höhe und er grüßt das erstaunte Publikum mit einem lauten "Heil Hitler!"
So eröffnete gestern die Theatergruppe "CHAOS" die "Anne-Frank-Wanderausstellung". Sie wird im folgenden Jahr unter dem Titel "Wien- Mosaik", an zehn Schulen, jeweils zwei bis drei Wochen lang gastieren. Die Schüler sollen, unterstützt von Mitarbeitern des Anne Frank Hauses in Amsterdam, die Ausstellung selber organisieren und aufbauen. Sie werden außerdem in einem zweitägigen Seminar zu Ausstellungsleitern ausgebildet, um, ganz dem Konzept der "Peer-Education" folgend, ihr Wissen anderen Schülern weitergeben zu können. Finanzielle Unterstützung erhält das Projekt dabei vom Wiener Landesreferat, der BAWAG und dem Anne Frank Haus in Holland.
Marina Vasic, Schülerin und Ausstellungsleiterin findet, dass "die Ausstellung eine gute Idee ist." Sie erzählt, dass viele ihrer Freunde wenig über den Holocaust wissen. "Indem wir die Ausstellung selber leiten, wird Interesse bei den Schülern geweckt", meint die Serbin.
Idee und Konzept des Projektes stammen von Norbert Hinterleitner, Mitarbeiter des Anne Frank Hauses. Seit Jänner 2002 gastierte die Wanderausstellung bereits an 19 Schulen, in fünf verschiedenen Bundesländern.
"Nazis sind wie Kakerlaken"
Die Ausstellung selbst besteht aus zahlreichen Bildertafeln, die durch Fotos und Zitate einerseits die Geschichte Anne Franks, andererseits die Geschichte ihrer Zeit erzählen. Gleichzeitig werden, wie der Titel der Ausstellung "Eine Geschichte von heute" bereits vermittelt, aktuelle Probleme wie Neonazis, Rassismus und neuer Antisemitismus thematisiert. "Nazis sind wie Kakerlaken, die kommen immer wieder. Und die Regierung macht die Augen zu", kritisiert Gorana Vidakovic, ebenfalls Ausstellungsleiterin.
Neben der Beschäftigung mit dem Holocaust soll auch ein Austausch zwischen den beteiligten Schulen stattfinden. "Wir haben bewusst Schulen ausgewählt, an denen Schüler aus verschiedenen sozialen und kulturellen Schichten vertreten sind. Gedanken und Meinungen sollen diskutiert und ein kritischer Blick geschult werden", erklärt Hinterleitner das Projektziel.
Susanne Brandsteidl, Präsidentin des Stadtschulrates, betonte ihre Freude über das Projekt und meinte: "Hier wird gezeigt, wie man mit Anderen und dem Anderssein in der heutigen Gesellschaft umgehen kann." n
Weitere Informationen unter:
http://www.annefrank.at