Fernsehen und Computer führen zu Unkonzentriertheit. | Wortschatz wird immer mangelhafter. | Wien. Computerspiele und Fernsehfilme - schon Volksschulkinder werden in deren Bann gezogen. Dadurch vergessen sie zunehmend auf das, was den Schlüssel zur Welt bedeutet: Lesen. "Immer mehr Schüler in der dritten und vierten Volksschulklasse können nicht lesen", warnt die Lehrerin Cornelia Schenk, "dabei ist Lesen die Basis für alles, was man später lernen möchte".
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Auch Wolfgang Wotke, der in der Theresianischen Akademie in Wien Deutsch unterrichtet, fällt auf: "Mittlerweile befinden sich in jeder ersten Klasse unseres Gymnasiums zu Beginn des Schuljahres Kinder, die nicht lesen können." Einige kämen mit derart mangelhaften Grundkenntnissen an die Schule, dass sie diese bis in die zweite Klasse nicht nachlernen und sogar mit zwölf Jahren noch nicht lesen könnten.
Für dieses Manko verantwortlich sei hauptsächlich die Ablenkung der Kinder durch ein Überangebot an Fernsehkanälen und elektronischen Spielen. "Dadurch verlernen sie, sich zu konzentrieren", erklärt Wotke, "was für das Lesen aber notwendig ist."
Früher habe das Lesen mehr gesellschaftliche Anerkennung genossen - als Unterhaltungsfaktor wurde über das Gelesene auch in der Schule diskutiert. "Heute werden unter den Kindern hauptsächlich die Erfolgsergebnisse der neuesten Internetspiele ausgetauscht", meint Wotke.
Nicht allein der Ablenkung durch den technischen Fortschritt gibt Schenk die Schuld an der mangelnden Lesekenntnis: Auch Eltern verfielen häufig der Bequemlichkeit, lieber in den Fernsehsessel zu versinken, als ein gutes Buch zu lesen. "Gerade das Vorbildverhalten der Eltern ist aber sehr wichtig", weiß die Lehrerin. Falls sich in einem Haushalt keine Bücher befinden, werde auch die Neugierde darauf nicht geweckt.
Zuerst Zuhören lernen
"Dann ausschließlich die Schule dafür verantwortlich zu machen, dass das eigene Kind nicht lesen kann, ist ein Fehler", ergänzt Barbara Libal, Geschäftsführerin des Lern- und Förderstudios "Teach me" in Tulln. In der Schule sei die verfügbare Zeit begrenzt - das dort Gelernte müsse zu Hause mit den Eltern wiederholt, vertieft und geübt werden. "Wenn zu Hause auch keine Zeit dafür ist, kommt das Kind bald nicht mehr mit", meint Libal.
Speziell das Lesen betreffend bemerkt die Legasthenietrainerin, dass es den Kindern zunehmend an einem guten Wortschatz fehlt - weshalb diese einzelne Ausdrücke gar nicht kennen und noch schwerer lesen können. "Zu Hause wird nämlich nicht mehr diskutiert, der Fernseher tötet jegliche Kommunikation." Daher trainiert sie mit den Schülern mit Leseschwäche verstärkt, zuerst einmal Zuhören zu lernen.
"Durch das Vorlesen von Büchern oder dem Hören von Geschichten lernt das Kind, wie die einzelnen Worte richtig ausgesprochen werden", erklärt Libal. Danach könne es beim Lesen von Texten diese Worte besser erkennen. Die selbe Ansicht vertritt Wotke, der seine Schüler daher nicht nur laut lesen lässt. Auch die im Deutschunterricht häufig vernachlässigten Gedichte müssten auswendig gelernt und anschließend vorgetragen werden.
Um den Stand der Lesekenntnis zu eruieren, wird laut Karl Hafner vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur jährlich ein "Lesescreening" in der dritten und fünften Schulstufe durchgeführt - seit dem schlechten Ergebnis der Pisa-Studie 2004. Beim "Lesescreening" wird laut Hafner aber nicht die Lesekompetenz, sondern das basale Leseverständnis überprüft: Dem Schüler wird ein Text mit sinnvollen und sinnlosen Sätzen vorgelegt, wobei letztere innerhalb weniger Minuten angekreuzt werden müssen. "Nach den - in den einzelnen Schulen sehr unterschiedlichen -Ergebnissen richtet sich das Ausmaß der Fördermaßnahmen, die dort gesetzt werden müssen", erklärt Hafner. Diese sind mittlerweile lückenlos nötig - für jene Kinder, die zwar lesen können, den Sinn dahinter aber nicht verstehen.