Wie zwei Direktorinnen mit Personal- und Ressourcenmangel kämpfen.
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Wien. "In meinem Fall gab es keinen zweiten Bewerber", berichtet Susanna Pauer (51), wie sie 2003 Direktorin geworden ist. Sie leitet eine Volksschule mit vier Klassen im burgenländischen Kobersdorf. Für die Leitung von kleinen Schulen am Land würden sich immer weniger Bewerber finden, sodass manche Direktorenposten oft länger vakant seien. "Die Aufgaben werden immer mehr, die Bezahlung bleibt immer gleich", erzählt die Direktorin. Ihre Job-Beschreibung ist eigentlich zu erweitern auf Sekretärin, Kassierin, Buchhalterin, Koordinatorin - und Klassenlehrerin.
Die kleine Volksschule mit 69 Kindern und einer Handvoll Lehrerinnen hat zum Beispiel kein eigenes Sekretariat. Die Frau Direktor persönlich hebt das Telefon ab, wenn Schüler krankgemeldet werden. Neue Schulmöbel, Hefte, Papier oder Toner bestellen, die Abrechnung erstellen und administrative Arbeiten erledigen, das alles macht Susanna Pauer selbst, "ich hab’ dafür niemanden". Und dennoch sieht sie sich als Koordinatorin im öffentlichen Sektor. "Bei dörflichen oder kirchlichen Veranstaltungen hat man eine gewisse Anwesenheitspflicht, es wird erwartet, dass man dort ist" - und vielleicht mit den Kindern einen Auftritt einstudiert hat. Hinzu kommt, dass Pauer nicht nur eine Führungsposition innehat, sondern auch Kollegin der anderen Klassenlehrerinnen ist und ebenfalls eine Klasse unterrichtet. "Zum Glück habe ich im Moment Kolleginnen, mit denen es kaum Konflikte gibt." Um für die Leitung der Schule mehr Zeit zu haben, kann sie fünf Stunden an eine Kollegin abgeben. Das sei wiederum für die Kinder ein Problem. "Vor allem das Gemeinschaftserlebnis in Stunden wie Turnen oder Musik fällt so weg", bedauert Susanna Pauer.
Das Unterrichten wiederaufgenommen hat auch Gerda Benesch-Tschanett (47). Sie ist seit eineinhalb Jahren Direktorin der Theodor Kramer Schule im 22. Wiener Gemeindebezirk, nachdem sie sich gegen mehrere Mitbewerber durchgesetzt hat und sich bereits 2003 um eine andere Direktorenstelle beworben hatte.
Frau Direktor unterrichtet
An dem großen Bundesrealgymnasium in Wien-Donaustadt fehlen nicht Schüler (rund 950), sondern Lehrer (insgesamt gibt es 125). Also unterrichtet die Frau Direktor dieses Jahr eine 6. und 7. Klasse jeweils in Geschichte und Deutsch. Denn im Moment gebe es zu wenig Personal, und das Budget werde laufend gekürzt. Die Einschränkungen bei den Ressourcen und beim Personal - Österreichs Schuldirektoren können sich ihre Lehrer nicht selbst aussuchen - empfindet daher Benesch-Tschanett als entscheidenden Nachteil gegenüber privatwirtschaftlichen Betrieben. "Wenn Lehrer eine Zusatzqualifikation haben, hoffe ich, dass sie für weitere Fortbildungen nicht auch noch zusätzlich Geld von mir verlangen, das ich ohnehin nicht habe."
Bei den Lehrerfortbildungen wird sie weiter einsparen müssen, damit das Budget gerade mal die Miete, die Sportgeräte, das Kopierpapier oder die Reinigungsfirma abdeckt, wenn einer der Schulwarte in Krankenstand ist.
Neben dem Sekretariat mit einer Ganztags- und einer Halbtagskraft ist ihr die Administratorin eine große Unterstützung, gibt Benesch-Tschanett zu. Dennoch ist auch sie letztverantwortlich für alles: dass es den Lehrern wie Schülern gut geht, dafür, in welche Richtung sich die Schule entwickelt, mit Hilfe von Lehrer-Teams für die Öffentlichkeitsarbeit und Sponsorsuche bis hin zu den funktionierenden Toiletten. Die Direktorin ist zusätzlich Dozentin für Fachdidaktik an der Universität Wien und hält an den Wochenenden Blockveranstaltungen für Germanistik-Studenten ab. "Damit ich gut auf die Lehrer-Ausbildung hinschauen kann."
Die Schulleiterin verhehlt auch nicht, dass sie bei den Lehrern an ihrer Schule manchmal gerne stärker eingreifen können möchte. Schließlich sei sie als Direktorin mit einer Vision für das Schulprofil (unter anderem bilinguale, Sport-, Freiarbeitsklassen nach Montessori - neben den Regelklassen) angetreten. Bloß: "Wenn jemand hier nicht arbeiten will, würde ich mir wünschen, dass man schneller zur Zufriedenheit aller Beteiligten etwas ändern kann."
Kinderlachen als Belohnung
Zu den Schattenseiten des Schuldirektorinnen-Jobs gehören "die unendlichen Mühen der Verwaltung", wie es Benesch-Tschanett formuliert. In der kleinen Landschule muss Pauer selbst Formulare ausdrucken, ausfüllen und sie am Postweg beim Greißler - das Postamt im Dorf wurde im Vorjahr geschlossen - rechtzeitig abschicken, damit der Dienstweg eingehalten wird. "Wenn man hier mehr online erledigen könnte, wäre das eine große Erleichterung", meint sie. Unabhängig voneinander nennen beide Direktorinnen einen weiteren Punkt, der ihnen mitunter zu schaffen macht: die schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen einzelne Kinder zu Hause leben müssen, und wenn über die Schule die Jugendwohlfahrt eingeschaltet werden muss. Das geht ihnen, die im Privatleben auch Mütter sind, unter die Haut; wenn sie sich dann mit Direktoren-Kollegen austauschen können, hilft das.
Fragt man die Direktorinnen, was ihnen an ihrer Management-Funktion die größte Freude bereitet, unterstreicht Susanna Pauer "das Kinderlachen in der Früh" und dass ihr persönliches Engagement mit den Kindern gewürdigt wird. Und in der Großstadt-Schule? "Das Schönste", sagt Benesch-Tschanett, "sind die Menschen und die Buntheit, das Miteinander und dass kein Tag wie der andere ist." Und sicherlich auch das Führen eines Bildungsbetriebes an sich.