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Bildungsexperte Stefan Hopmann zum Thema Gesamtschule. | "Die Schule kann soziale Unterschiede nicht ausgleichen." | Wien. Gegen die Annahme, man könne mit Schulversuchen die Überlegenheit eines Schulmodells beweisen, sprach sich am Dienstag in einem Pressegespräch in Wien Univ.-Prof. Stefan Hopmann, Bildungswissenschafter an der Universität Wien, aus. Er sei nicht für oder gegen ein bestimmtes Schulmodell, erklärte der Experte, aber letztlich müsse die Entscheidung für eine bestimmte Schulstruktur politisch und nicht wissenschaftlich gefällt werden. Die Schulqualität hänge nicht an der Struktur, sondern daran, was man wo für wen unter welchen Bedingungen erreichen wolle.
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Differenzierungen nötig
Erkenntnisse aus Schulversuchen könnten sicher einiges verbessern helfen, etwa Integration, Durchlässigkeit, Teamarbeit von Lehrern und Schülern, aber die Annahme sei verkehrt, dass etwas, das irgendwo funktioniere, automatisch auf das ganze Land übertragbar sei. Und letztlich arbeite jedes Schulsystem mit Differenzierungen, inneren, äußeren oder Mischformen.
Eine Gesamtschule sei nur dann echt, wenn sie flächendeckend sei, betonte Hopmann. Dass die Schule soziale Unterschiede ausgleichen solle, sei zu viel verlangt, zumindest aber sollte sie diese nicht verschärfen. Genau das drohe aber bei einer überhasteten Einführung der Gesamtschule: Wer es sich leisten könne, würde seine Kinder in Privatschulen schicken oder in Gegenden ziehen, wo die öffentliche Schule ein höheres Niveau habe. In England seien noch mehr als Lehrer und Eltern die Immobilienmakler daran interessiert, wo sich Schulen mit gutem Ruf befinden. Hopmann: "In etlichen Ländern wachsen die sozialen Abstände trotz Gesamtschulsystem dramatisch."
"Rausgeworfenes Geld"
"Schüler sind robust", sie würden Übergang zu einer Gesamtschule eher verkraften, meint Hopmann, "Lehrer sind weniger robust". Für einen geordneten Übergang zu einer Gesamtschule rechnet er mit einem Zeitraum von zwei Schülergenerationen, also etwa bis 2020. Doch vordringlich wichtig erscheint ihm, dort zu helfen, wo die Probleme liegen, zum Beispiel beim Erlernen der Schulsprache oder in der sozialen Entwicklung. Wenn man für betroffene Kinder nur ein bis zwei Jahre Förderunterricht anbiete, sei das "rausgeworfenes Geld", für diese Zielgruppe müsse man für die Dauer der gesamten Schulzeit tragfähige Lösungen offerieren.