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Schulstart wirbelt neuen Staub auf

Von Karl Ettinger

Politik

Die Verpflichtung infizierter Lehrer zum Unterricht stößt auf Bedenken. Corona-Schnelltests sind vorerst nur empfohlen.


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Das ist das Letzte, was wir uns gewünscht haben." Der Vorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft, Herbert Weiss, ist wie der Chef der Arbeitsgemeinschaft der Lehrergewerkschafter, Paul Kimberger, unzufrieden. Beide stoßen sich daran, dass coronainfizierte Lehrer an Bundesschulen und Schüler unter elf Jahren ab der Mittelschule ohne Symptome im neuen Schuljahr am Unterricht teilnehmen müssen.

Das könne dazu führen, dass es in einem Bundesland dann ab dem Schulstart in Ostösterreich am kommenden Montag unterschiedliche Regeln gibt, warnt Weiss. Wien und das Burgenland haben bereits angekündigt, dass in Pflichtschulen infiziertes Lehrpersonal ohne Symptome nicht unterrichten darf. An höheren Schulen, also den Bundesschulen, werden hingegen Pädagoginnen und Pädagogen zum Unterricht auch in diesem Fall herangezogen.

Eine Woche vor dem Beginn des neuen Schuljahres 2022/23 in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland und zwei Wochen vor dem Schulstart in den sechs anderen Bundesländern hat Bildungsminister Martin Polaschek in einer zwanzigminütigen Pressekonferenz am Montagvormittag die Corona-Regeln ab September vorgestellt. Test- und Maskenpflicht wird es demnach in den Schulen vorerst nicht geben.

Sein Bildungsministerium empfiehlt den Schuldirektoren aber, freiwillig in den ersten Schulwochen für Antigentests zu sorgen und entsprechende Tests vorrätig zu halten. Damit sollen sich die 1,1 Millionen Schüler selbst schon am Sonntagabend oder Montagfrüh Corona-Schnelltests unterziehen.

Weiters empfiehlt Polascheks Ressort, schon ab dem ersten Schultag Tests durchzuführen, wenn möglich, mit den genaueren PCR-Tests. Nach scharfer Kritik von Lehrer- und Direktorenvertretern seit Ausbruch der Pandemie im März 2020, weil die Information der Schulen meist zuerst über die Medien und dann erst intern erfolgt ist, hat Minister Polaschek die Schulleiter dieses Mal schon am Wochenende in einem Rundschreiben, das der "Wiener Zeitung" vorliegt, vorab informiert.

Die Teststrategie wird grundsätzlich von Lehrergewerkschaftern und Elternvertretern begrüßt. Umso unverständlicher ist allerdings für die Lehrervertreter, dass Pädagogen an Bundesschulen wie den AHS und den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen vom Ministerium zum Unterricht verpflichtet werden, wenn sie zwar mit dem Coronavirus angesteckt wurden, aber keine Krankheitssymptome zeigen. Der Bildungsminister verteidigte dies damit, dass es für das Bildungswesen damit die gleiche Vorgangsweise wie für andere Lebensbereiche gebe.

Lehrer müssen sich krankschreiben lassen

"Alle sind unzufrieden", beklagt der oberste AHS-Lehrergewerkschafter im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Ziel sei, den Unterricht aufrechtzuerhalten, das gehe aber leichter, wenn man infizierte Personen nicht in die Schule lasse. "Wir wurden nicht in die Entscheidung einbezogen", stellt Herbert Weiss deswegen unmissverständlich fest.

Die Entscheidung, ob ein coronainfizierter Lehrer zur Arbeit in die Schule kommt, liegt jedenfalls nach dieser Vorgabe des Ministeriums nicht beim Dienstnehmer, wie der AHS-Lehrerchef betont. Eine Lehrkraft kann damit das Unterrichten nicht einfach von sich aus verweigern. Das Dienstrecht schreibt vielmehr vor, dass für das Fernbleiben vom Unterricht eine Krankschreibung durch einen Arzt notwendig ist. De facto entscheiden damit im Regelfall die Hausärzte, ob eine Lehrerin oder ein Pädagoge nach einem positiven Corona-Test, wenn er unmittelbar keine Krankheitssymptome spürt, zur Arbeit in die Schule muss oder nicht.

Polaschek formulierte die Leitlinie bei seinem Presseauftritt so: "Wenn Sie sich gesund fühlen, dann müssen Sie. Wenn ich mich nicht gesund fühle, dann soll ich nicht." Man solle das "sehr gelassen sehen", meinte er. All das gelte ab der Sekundarstufe I, für Kinder unter elf Jahren gelte im Positivfall hingegen ein Betretungsverbot. Klagen befürchtet Polaschek nicht: "Eine Aufgeregtheit, die ich nicht teile." Der Bildungsminister hat allerdings auch im Frühsommer die Aufregung um den Lehrermangel, über den viele Schuldirektoren stöhnen, gar nicht verstanden. Die Fakten schauen allerdings anders aus als durch die Brille des Bildungsministers in seinem Amtssitz auf dem Minoritenplatz in der Wiener Innenstadt: So fehlten zuletzt in manchen Bundesländern knapp vor dem Schulbeginn noch immer dutzende Lehrkräfte. Die Schulbehörden waren bemüht, durch Umschichtungen das Problem in den Griff zu bekommen.

Die freiwilligen Tests zu Schulbeginn würden eine gewisse Sicherheit bringen, sagte Kimberger. Wichtig sei der Gewerkschaft außerdem gewesen, dass die Schulen in diesem Schuljahr wieder autonom für bis zu zwei Wochen Masken und eine (Antigen-)Testpflicht erlassen können, wenn sich die Corona-Lage an einem Standort dramatisch entwickelt.

Zugleich bedauerten Kimberger wie Gewerkschafter Weiss, dass infizierte Schüler und Lehrer mit FFP2-Maske in die Schule kommen können. "Wir sind der Meinung, dass infizierte Personen in der Schule nichts verloren haben", meinte Kimberger. Es sei unrealistisch, dass jemand stundenlang ununterbrochen Maske trage. Kritik kommt von ihm auch daran, dass es wegen Verzögerungen beim Ausschreibungsverfahren noch keine Lösung für Schul-PCR-Tests im kommenden Schuljahr gibt.

Elternverband ist mit Vorgangsweise einverstanden

Im Bundeselternverband ist man froh darüber, dass Kinder und Jugendliche ohne Einschränkungen ins neue Schuljahr starten können, betont Sprecher Marcus Dekan. "Wir glauben auch, dass die Rahmenbedingungen derzeit das vorgeschlagene Vorgehen durchaus zulassen." Die freiwilligen Antigentests zu Beginn des Schuljahrs seien zwar nicht perfekt, aber immerhin eine gewisse Sicherheitsschranke nach der Rückkehr aus den Ferien.

Allerdings haben auch die Elternvertreter keine Freude mit Infizierten an den Schulen. Dekan rechnet aber ohnehin damit, dass Eltern ihre Kinder auch symptomfrei nicht infiziert zum Unterricht lassen und auch infizierte Lehrer nicht ihren Dienst antreten werden.

Die Idee, dass Infizierte ihre Maskenpause in einem speziellen Raum verbringen sollen, hält Dekan ebenso wie Kimberger nicht für praktikabel angesichts des Raummangels in vielen Schulen.