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Brüssel/Paris. Das war alles? So ließe sich die Reaktion zusammenfassen, die Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mit ihren Ideen zur Lösung der Euro-Schuldenkrise in der Finanzwelt hervorriefen. "Too little, too late": Die Euro-Verantwortlichen bleiben ihrer fehlgeleiteten Krisenstrategie treu. Sie bewegen sich zu wenig und viel zu spät.
Daran hat auch der Pariser Minigipfel von Dienstagabend nichts geändert. In der Sprache der Finanzmarkt-Akteure wird dergleichen als "Non-event" bezeichnet: nicht der Rede wert. Und das, obwohl schon im Vorfeld niemand mit substanziellen Ankündigungen gerechnet hatte.
An den Märkten wurde das Treffen nicht einmal ignoriert. Der Euro war nach den Ankündigungen nur kurz abgesackt. Die Börsenkurse reagierten am Mittwoch kaum. Die momentane Ruhe auf dem Anleihenmarkt ist aber trügerisch - diese Atempause ist mit dem Geld der Europäischen Zentralbank teuer erkauft. Der Sturm könnte jederzeit wiederkehren.
Merkel und Sarkozy haben sich einmal mehr auf einen Abtausch ihrer Interessen geeinigt: Frankreich darf sich die Wirtschaftsregierung und Transaktionssteuer auf die Fahnen heften, Deutschland das Insistieren auf eine Schuldenbremse in den Verfassungen und härtere Sanktionen. Ein Minimalkompromiss, in dem sich jeder wiederfinden darf.
Für Spekulationssteuer
Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Währungskommissar Olli Rehn nannten die Vorschläge einen "wichtigen Beitrag der zwei größten Euroländer".
Bundeskanzler Werner Faymann befürwortet vor allem den Vorschlag einer Finanztransaktionssteuer. "Ich setze mich seit Beginn der Krise kontinuierlich und vehement dafür ein." Auch die Begrenzung der Staatsverschuldung sei richtig - solange in Krisenzeiten weiterhin antizyklisch investiert werden könne. Eine engere Abstimmung der Wirtschaftspolitik hält Faymann für wünschenswert, solange nicht Eingriffe in die Lohnpolitik oder ein einheitliches Pensionsalter gemeint sind.
Österreichs Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger begrüßte den Vorschlag für eine Wirtschaftsregierung: "Eine Koordination der Wirtschaftspolitik ist wichtig für Europa." Eine gemeinsame Schuldenaufnahme über Eurobonds lehnt er (so wie Merkel und nun auch Sarkozy) ab. Ähnlich fielen die Reaktionen europaweit aus: Prinzipielle Zustimmung der Regierungen, Widerspruch im Detail, pauschale Kritik der Opposition.
Die Märkte wird das paneuropäische Schulterklopfen freilich wenig beeindrucken. Europas Politiker bleiben damit Getriebene der Finanzmärkte.
Dabei wären einige der angedachten Rezepte wie Finanztransaktionssteuer, Wirtschaftsregierung oder Schuldenbremse durchaus richtig. Sie sind aber entweder nicht mehrheitsfähig oder zu wenig konkret. Besonders deutlich wird das bei der Finanztransaktionssteuer, welche Spekulation verteuern und damit unattraktiver machen soll. Das könne man sich schon wünschen, richtete Irlands Finanzminister Michael Noonan am Mittwoch aus. Die Abgabe müsste aber für alle 27 EU-Staaten gelten, nicht nur für die Eurozone. Damit ist das Projekt so gut wie gestorben, weil Länder wie Großbritannien oder Luxemburg ihre Zustimmung verweigern werden.
Die Legitimation fehlt
Die Idee einer Wirtschaftsregierung ist ebenfalls nicht neu. Mit regelmäßigen Treffen allein ist aber noch nichts gewonnen. Die Finanzmärkte halten sich mit der Eskalation der Krise leider nicht an den EU-Terminplan. Derzeit bestimmen Merkel und Sarkozy den Kurs der europäischen Wirtschaftspolitik - ohne demokratische Legitimation, ohne Erfolg.
Daran ändert sich wohl wenig, wenn die 17 Euro-Regierungschefs öfter tagen und Ratspräsident Herman Van Rompuy die Treffen leitet. Kein Wunder, wenn EU-Abgeordnete wie Othmar Karas (VP) und Hannes Swoboda (SP) die Entmachtung und Ausschaltung von EU-Kommission und EU-Parlament befürchten.
Und dass alle 17 Euroländer Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild in ihre Verfassungen schreiben, ist reines Wunschdenken: Im Moment verfügt nicht einmal Sarkozy selbst dafür in Frankreich über eine parlamentarische Mehrheit.