Zwischen Schulterschluss und Kampfansage bewegt sich der neue nicht amtsführende Stadtrat der ÖVP Wien, Johannes Hahn, wenn es um das Verhältnis zur allein regierenden SPÖ geht. Während er sich in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik mit der SPÖ durchaus eines Sinnes weiß, prangert der Nachfolger des zum Intendanten des Mozart-Jahres aufgestiegenen Peter Marboe die ineffiziente und teure Organisation des Gesundheitssystems in der Stadt an.
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Die Belebung des Wirtschaftsstandortes Wien sei durchaus ein gemeinsames Ziel, bei dem es einen "Schulterschluss" zwischen "roter" Stadtregierung, Volkspartei und Wirtschaftskammer gebe, meint Hahn im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Entsprechend kann er kein Handicap für die Oppositionsarbeit seiner Partei in der von beiden Seiten oft demonstrativ zelebrierten "Achse" zwischen Bürgermeister Michael Häupl und Wirtschaftskammer-Chef Walter Nettig, der zugleich auch Obmann des "schwarzen" Arbeitgeberflügels ist, erkennen. Nettig sei kein Mandatar der ÖVP, sondern vertrete in erster Linie die Interessen der Wirtschaft.
Konfliktstoff sieht Hahn dagegen vor allem in der Gesundheitspolitik: "Wien ist extrem spitalslastig organisiert - hier sind wir Weltmeister." Die ÖVP will dagegen vor allem den niedergelassenen Bereich stärken, der jedoch völlig neu gestaltet werden müsse. Das derzeit noch gängige Modell eines allein ordinierenden Arztes sieht Hahn als "Auslaufmodell", das mittelfristig von Gruppenpraxen abgelöst werden soll. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist für Hahn jedoch, dass diese Gruppenpraxen genauso kundenfreundlich wie Spitalsambulanzen behandeln, wenn auch natürlich wesentlich kostengünstiger. Derzeit werde man, vor allem wenn man nicht genau weiß, was einem fehlt, von einem Arzt zum nächsten überwiesen, "in der Ambulanz geht das natürlich schneller".
Apropos Einsparungen: Könnte die Stadt nicht auch bei sich selbst einsparen - mit 100 Abgeordneten ist das Stadtparlament immerhin fast doppelt so groß wie vergleichbare andere Landesparlamente, und auch die Einrichtung von nicht amtsführenden Stadträten ließe sich durchaus auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen?
Prinzipiell ja, meint Hahn. Allerdings habe in Wien das Parlament sowohl die Rolle eines Gemeinderates wie auch die des Landtages. 90 Prozent der Arbeitszeit nehme dabei die Arbeit als Gemeinderat in Anspruch, nur 10 Prozent entfalle auf die des Landtagsabgeordneten. Deshalb hält er - angesichts der Aufgabenfülle in einer Millionenstadt - diese Größe auch für berechtigt. "Wären wir nur ein Landtag, dann hätte ich selbst Zweifel an der Sinnhaftigkeit."
Was die Wien-Besonderheit der nicht amtsführenden Stadträte betrifft, so wurzle diese historisch in der Proporz-Regierung der Gemeinden. Angesichts der derzeit um sich greifenden Politik der Ausgliederung von Aufgaben der Stadt in diverse Fonds, komme dem Stadtrat für die Opposition jedoch eine wichtige Kontrollfunktion zu: Wenn schon der Gemeinderat seine Kontrollrechte verliert, erhalte man so wenigstens Informationen in der Sitzung der Stadtregierung.