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Österreich und Deutschland wollen sich auf europäischer Ebene für eine gemeinsame Industrie- und Standortpolitik einsetzen.
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Mehrkosten bei Treibstoffen, Öl, Gas und Strom sowie verzögerte oder unterbrochene Lieferketten. Die vergangenen beiden Jahre waren turbulent für die heimische Wirtschaft. Nicht nur Österreich steht aktuell vor Herausforderungen in Sachen Arbeitskräftemangel und emissionsfreier Energieversorgung für energieintensive Unternehmen. Auch Deutschland sieht sich mit ähnlichen Aufgaben konfrontiert. Die beiden Länder, die vor allem im bayrisch-österreichischen Grenzraum wirtschaftlich stark miteinander verbunden sind, möchten dafür auf europäischer Ebene stärker zusammenarbeiten. Die wichtigsten gemeinsamen Eckpunkte dafür haben Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und sein deutscher Amtskollege Christian Lindner (FDP) im Rahmen eines Wirtschaftsgipfels in der Wirtschaftskammer (WKÖ) bekanntgegeben.
"Inhaltlich eint uns einiges mit Deutschland", sagte Brunner. "Da gibt es viele Dinge, die wir gemeinsam auf europäischer Ebene voranbringen wollen." Zentrale Themen seien dabei eine gesamteuropäische Industrie- und Standortpolitik, die Reduktion der Staatsschulden - und künftige Handelspartner stärker nach gemeinsamen Werten zu definieren. Sowohl Brunner als auch Lindner appellierten dafür, dass auf den US-amerikanischen "Inflation Reduction Act" ein 370 Milliarden Dollar schweres Subventionspaket für den Klimaschutz und Energiesicherheit, kein europäischer Wettlauf der Förderungen folgen solle: "Da gäbe es nur Verlierer", sagte Lindner. "Unsere Aufgabe ist es also, nicht mehr Geld auf den Tisch zu legen, sondern mit dem bestehenden besser umzugehen."
Mehr Vollzeitkräfteund Steuerbegünstigungen
Während Vertreter der heimischen Wirtschaft derzeit Maßnahmen fordern, um mehr Menschen in die Vollzeitarbeit zu bringen, müsse man EU-weit an anderen Schrauben drehen: "Im Fokus steht für uns dort der Bürokratieabbau und Verfahrensreduzierungen bei großen Projekten, die Freiheit für mehr Innovation bietet", betonte Brunner. Zudem wurde am Wirtschaftsgipfel über Steuerbegünstigen für Überstunden und die Arbeit nach Antritt des Regelpensionsalters gesprochen.
Zwar hat sich Österreich laut Brunner in der wirtschaftlichen Bewältigung der Corona-Pandemie "gut geschlagen", Probleme sieht der Minister aber in der Abhängigkeit von internationalen Lieferketten: "Bei aller Resilienz müssen wir daran arbeiten, dass diese Wirtschaft noch widerstandsfähiger wird." Um diese Abhängigkeit, vor allem im Sektor der Halbleiterproduktion, zu minimieren, sei auch der Abbau von Lithium in Kärnten notwendig. Mehr als 13 Millionen Tonnen Lithiumoxid, aus dem das Lithium gelöst wird, sollen im Inneren der Koralpe liegen.
Die beiden Finanzminister betonten zudem, dass sie sich in Brüssel für die Rückkehr aller EU-Staaten zu einem gesunden Haushaltsbudget einsetzen wollen. "Kehrt um, die Schulden sind zu hoch", appellierte Lindner an die Amtskollegen innerhalb der EU. Brunner pflichtete dem bei: "Wir können nicht 100 Prozent aller Krisen kompensieren, das ist nicht Aufgabe des Staates."
Maßnahmen am Arbeits- und Energiemarkt gefordert
Zudem sei es notwendig, zu einer Normalität in puncto Fiskalpolitik zurückzukehren: "Vor allem in der öffentlichen Debatte habe ich manchmal das Gefühl, dass Milliarden mit Millionen verwechselt werden." Die Rückkehr zu schwarzen Zahlen sei notwendig, um Handlungsspielräume für die Zukunft schaffen zu können, "auf nationaler und internationaler Ebene", so Brunner.
Gabriel Felbermayr, Leiter des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), skizzierte die wirtschaftliche Lage Europas und welche Handlungen umgesetzt werden müssten: "Der Industriestandort Europa, vor allem der deutsche, ist seit Jahren in Bedrängnis. Die Herausforderungen haben sich durch jüngere Ereignisse, von Stress in den Lieferketten und hohen Energiepreisen bis hin zu ungelösten geostrategischen Fragen, weiter verschärft." Um den Wohlstandsverlust in Richtung USA abzubremsen, sei es wichtig, Lösungen für den Arbeitsmarkt zu finden: "Dort beobachten wir, dass trotz starken Bevölkerungswachstums Arbeitskräfteknappheit herrscht."
Zudem brauche es einen glaubwürdigen, europaweiten Plan für den Energiemarkt, um zu verhindern, dass weitere Unternehmen ihre Produktion ins Vereinigte Königreich oder die USA verlegen. "Die deutsch-österreichische Partnerschaft kann hierfür wichtige Lösungen liefern", sagte der Ökonom.