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Schulz lässt sich alle Koalitionsoptionen offen

Von Alexander Dworzak

Politik

SPD und mögliche Partner sind weit von einer Mehrheit entfernt.


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Berlin/Wien. Martin Schulz hat ein sehr ambitioniertes Ziel: "Wir wollen, in welcher Konstellation auch immer, den Bundeskanzler stellen", sagte der designierte SPD-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl am Mittwoch. Als neuer Frontmann der Sozialdemokraten muss er Optimismus und Zuversicht versprühen. Acht Monate hat er dafür Zeit, am 24. September findet die Wahl statt.

Ein Blick auf die aktuellen Umfragewerte zeigt jedoch, dass die SPD weit vom Kanzleramt entfernt ist. 16 Prozentpunkte trennen die Sozialdemokraten derzeit von CDU/CSU und Platz eins, die Konservativen halten laut Daten von "Forsa" bei 37 Prozent. Hinter der SPD (21 Prozent) liegen die Rechtspopulisten der Alternative für Deutschland (AfD) auf Rang drei mit 12 Prozent. Die Grünen kommen auf 10 Prozent, Linkspartei und FDP jeweils auf 6 Prozent.

Zu dritt nur 37 Prozent

Um Kanzler zu werden, gibt es für Schulz nur zwei Optionen: Rot-Rot-Grün oder eine Ampelkoalition. Nach jetzigem Stand erreichen die drei Parteien von "R2G" 37 Prozent, genauso viel schafft die konservative Union alleine. Ein SPD-Bündnis mit den Grünen und den Freien Demokraten käme ebenfalls nur auf 37 Prozent.

Zwar bemühen sich führende Sozialdemokraten nach Kräften, eine Schulz-Euphorie zu entfachen: "Martin Schulz ist wirklich sehr beliebt in der SPD", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer auf SWR Info. Fraktionschef Thomas Oppermann sprach von einem "erfolgreichen Startschuss für ein Wahljahr". Schulz habe den vollen Rückhalt der Bundestagsfraktion.

Dass Schulz an Merkels Union vorbeiziehen wird, ist aber unwahrscheinlich. Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident bekanntgab, in die deutsche Politik zurückzuwechseln, führte das nicht zu einem Umfragehoch für die SPD. Als Herausforderer Merkels muss Schulz erst innenpolitisch an Kontur gewinnen.

Schulz’ widmete sich in seinen ersten programmatischen Ansagen Verteilungsgerechtigkeit und innere Sicherheit: "Wir wollen, dass die hart arbeitenden Menschen in diesem Lande, die sich an die Regeln halten, sicher und gut in Deutschland leben können. Wir wollen, dass es gerecht und fair zugeht." Soziale Gerechtigkeit ist sowohl für Grüne als auch für die Linkspartei ein Kernthema. Um eine bundesweite Mehrheit zu erreichen, genügt das nicht. Denn die Deutschen sind dank Rekordbeschäftigung von mehr als 43 Millionen Bürgern mit ihren Lebensumständen zufrieden. Dass es einen großen Niedriglohnsektor und viele atypisch Beschäftigte gibt, kratzte bisher nicht an Merkels Nimbus, die die Arbeitsmarktreformen Gerhard Schröders verwaltet.

Wahlsieger dank der Mitte

Schröder war es auch, der zum bisher letzten Mal das Kanzleramt für die SPD zurückeroberte. 1998 warb er dezidiert als "neue Mitte". Und Angela Merkel zeigt seit Jahren vor, dass Wahlen in Deutschland im Zentrum gewonnen werden. Sie ließ die streng Konservativen heimatlos werden um den Preis der "Sozialdemokratisierung" der CDU und das Aufkommen der AfD rechts von der Union. Für CDU und CSU geht die Rechnung dennoch auf, wie auch die klare Führung in den Umfragen zeigt.

Dies trotz Merkels umstrittenen Kurs in der Flüchtlingspolitik. Schulz sagte am Mittwoch, Menschen müssten "nach ihren Taten und Motiven beurteilt werden und nicht nach ihrer Herkunft". Er bezeichnete die Sozialdemokratie als "Brandmauer", wann immer die Demokratie in der deutschen Geschichte gefährdet gewesen sei.

Bei seinem ausgerufenen Kampf für ein funktionierendes Europa als "grundlegende Bedingung für Frieden und Wohlstand" klang Schulz wie einst als EU-Parlamentspräsident. Bloß sind CDU/CSU, Grüne und FDP ebenfalls streng proeuropäisch. Auf diesem Feld gibt es also wenig zu holen. Schulz erste Ansagen taugen auch hier kaum für Wechselstimmung.