Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat sich gestern im Pressefoyer klar gegen ein Veto gegen Tschechiens EU-Beitritt ausgesprochen. Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer sieht die mehr als 900.000 Unterstützungsunterschriften als Erfolg für die "direkte Demokratie". Mit der Veto-Karte drohte die FPÖ-Chefin aber weniger als FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler.
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"Mit uns wird es kein Veto geben", stellte der Bundeskanzler klar. Er verwies aber auf das Brüsseler Abkommen mit Tschechiens Regierungschef Milos Zeman, das in einem Ministerratsbeschluss begrüßt worden sei. Erst wenn Tschechien die darin vereinbarten Sicherheitsauflagen nicht erfülle, "kommen wir auf das Energiekapitel zurück". Schüssel sieht also eine gemeinsame Regierungslinie, aber unterschiedliche Positionen der Parteien.
"Wir erwarten uns von der tschechischen Regierung ein klares Ausstiegs-Szenario, ein zeitlich fixiertes Ausstiegs-Szenario aus Temelín." Ein Zeitrahmen von 30 Jahren wie in Deutschland sei hierzu allerdings "ein bisschen lange". Sie erwarte von einer neuen tschechischen Regierung jedenfalls die Konstruktivität, über eine Stilllegung zu reden. "Wir möchten gerne, dass Tschechien der EU betritt, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Spielregeln erfüllt sind", zeigte sich Riess-Passer konziliant, blieb aber dabei: "Die Veto-Karte bleibt im Talon."
Ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens ist mit der ÖVP nicht machbar: EU-Erweiterung und Europapolitik seien "zentrale Themen" der Regierungsarbeit: "Wenn dieses Herzstück fällt, dann geht es nicht mehr", stellte Schüssel der FPÖ die Rute ins Fenster.
Auch zu den von Westenthaler ins Spiel gebrachten Benes-Dekreten ("Mit den Benes-Dekreten wird Tschechien nicht der Europäischen Union angehören.") als weiteren Grund gegen einen Beitritt Tschechiens kam von Schüssel eine Absage: "Das ist kein Thema im Erweiterungsprozess." Riess-Passer verwies darauf, dass Beitrittskandidaten die Menschenrechte erfüllen müssten.
Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider versprach den Unterzeichnern des Volksbegehrens, für die Umsetzung der darin enthaltenen Forderungen (Nein zum EU-Beitritt, wenn Temelín nicht stillgelegt wird) zu sorgen. Komme bei Neuverhandlungen mit Tschechien nichts zustande, gebe es in der Regierung kein Ja für einen EU-Beitritt Tschechiens.
SPÖ-Klubobmann Josef Cap forderte einen Vermittler zwischen Tschechien und Österreich. Nur mit einer Klimaverbesserung gebe es noch "den Funken einer Hoffnung", in Nachverhandlungen über das AKW einzutreten.
Bundessprecher Alexander Van der Bellen erklärte für die Grünen, dass die FPÖ Österreich international ins Abseits führe. Es gehe nicht um Anti-Atom-Politik, sondern um die Blockade der EU-Erweiterung.