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Schüssel gegen "zurechtstutzen"

Von Brigitte Pechar

Politik

Für Aufregung sorgte gestern die Meinung des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider, dass Österreichs Verfassungsrichter "auf das ihnen zustehende Maß zurechtgestutzt werden müssen". Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer hält diese Meinung für "legitim": "Das heißt nichts anderes, als dass der Verfassungsgerichtshof sich nicht über den Gesetzgeber stellen darf." Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dagegen zeigte sich wenig glücklich über die Wortwahl Haiders: "Mir gefällt das Wort ,zurechtstutzen' nicht, denn der Verfassungsgerichtshof ist die höchste Autorität bei der Auslegung der Gesetze." Die Oppositionschefs Alfred Gusenbauer und Alexander Van der Bellen forderten Haiders Rücktritt.


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Der Landeshauptmann hält hingegen unbeirrt an seiner Position fest. Das VfGH-Erkenntnis zu den Ortstafeln sei nicht umsetzbar, meinte der freiheitliche Altparteiobmann. Der Gerichtshof sei "völlig konfus" vorgegangen, weil offensichtlich nur die politische Absicht verfolgt worden sei, "in Kärnten nach 30 Jahren Frieden wieder die Diskussion um die zweisprachigen Ortstafeln zu eröffnen". Der VfGH tue so, als würden für ihn nur Gesetze gelten, "die er sich selbst aussucht".

Vollste Unterstützung fand Haider bei seiner Parteiobfrau Riess-Passer. Der Ausdruck "zurecht stutzen" bedeute nichts anders, "als dass der Verfassungsgerichtshof sich nicht über den Gesetzgeber stellen darf. Der Verfassungsgerichtshof schafft kein Recht". Man müsse unterscheiden zwischen Rechtsstaat und Richterstaat, sagte die Vizekanzlerin. Die Verfassungsrichter seien verantwortlich für die Auslegung, nicht aber für die Schaffung von Gesetzen. Gefragt, ob nun Bürger, die mit einer bestimmten Rechtsauslegung nicht einverstanden seien, den Richterspruch künftig missachten könnten, stellte Riess-Passer nach mehrmaligem Nachfragen klar, dass sie sicherlich nicht dazu aufrufen werde, Urteile zu missachten. Kanzler Schüssel zeigte sich "sehr dankbar für diese Klarstellung". Er plädierte für eine vorsichtigere Wortwahl: Mir gefällt das Wort ,zurecht stutzen´ nicht, das sage ich hier ganz offen." Im Übrigen solle man rechtsstaatliche Institutionen aus dem Parteienstreit heraushalten.

Der Bundeskanzler verteidigte aber die Möglichkeit, über Urteile diskutieren zu können. Er werde dafür kämpfen, dass man juristische Diskussionen führen könne, aber auch dafür, dass juristische Erkenntnisse umgesetzt werden.

FPÖ-Parteivize Herbert Scheibner meinte, er fasse Haiders Worte "nicht als Drohung auf". Urteile des VfGH seien auch schon in der Vergangenheit kritisiert worden.

Positiv äußerte sich der Bundeskanzler dagegen zur freiheitlichen Forderung nach einem neuen Bestellungsmodus für die Verfassungsrichter. Die Entsendung in den VfGH müsse "breiter" werden, meinte der Kanzler, ohne auf Details einzugehen. Solch ein Schritt sei ein vernünftiger Ansatz und würde die Autorität der Verfassungsrichter weiter stärken.

Die Vizekanzlerin sprach sich dafür aus, künftig auch abweichende Stellungnahmen bei VfGH-Entscheidungen zu veröffentlichen. Das sei in anderen Ländern durchaus üblich und ermögliche Einblick in die Entscheidungsfindung. Riess-Passer verwies auch darauf, dass das Ortstafel-Erkenntnis nur mit einer Stimme Mehrheit beschlossen worden sei.

VfGH-Präsident Ludwig Adamovich, zuletzt selbst Hauptziel von Haiders Attacken, zeigte indes Verständnis dafür, sollten die Freiheitlichen in den Gerichtshof hinein wollen: "Ab einer bestimmten Stärke sollte jede Kraft hier vertreten sein." Er widersprach aber der Behauptung, das Ortstafel-Erkenntnis sei mit nur einer stimme Mehrheit gefällt worden: "Ich möchte gerne wissen, woher die Frau Vizekanzlerin das wissen will. Das unterliegt dem Gerichtsgeheimnis."

Die Opposition ist empört über Haiders Wortwahl. Gusenbauer sprach von einem Angriff auf Rechtsstaat und Demokratie, den Schüssel zurückweisen müsse. Van der Bellen appellierte an die Parteien in Kärnten. Ein Misstrauensantrag gegen Haider sei "überfällig".

Eine Warnung kam von Richter-Präsidentin Barbara Helige. Aussagen wie jene des Kärntner Landeshauptmanns ließen darauf schließen, dass das Prinzip der Gewaltentrennung nicht akzeptiert werde. Die Angriffe auf die Justiz hätten langsam ein unerträgliches Maß erreicht.