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Schüssel geht, die Zeit frisst die Wahrheit

Von Engelbert Washietl

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Eurofighter als Beispiel: Wer soll heute noch herausfinden, warum die teuren Abfangjäger gekauft wurden und wer daran verdient hat?


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Schon mit den Leistungen, die den Regierungen Wolfgang Schüssels zwischen 2000 und dem Jänner 2007 positiv angerechnet werden könnten, ist es eine rechte Plage. Studiengebühren wurden eingeführt und später wieder abgeschafft. Die vom ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky mit persönlicher Unterschrift besiegelte Sicherheit der Pensionen wurde unter Schüssel durch eine Pensionsreform untermauert, wird aber bis heute von der Hacklerregelung angenagt. Die Zeit fließt. Schon wird der zurückgetretene ÖVP-Abgeordnete Schüssel durch eine große Koalition aller Parteien mit Ausnahme der ÖVP ein zweites Mal demontiert.

Zugleich rinnen aus dem Füllhorn Telekom Austria Korruptionsvorwürfe oder auch bloß Verdächtigungen chronologisch nach hinten aus. Über die aufsehenerregenden Geldflüsse beim Buwog-Verkauf, über den unentwegt mit Unschuldsvermutungen bedachten ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser und über fast skurrile Fußballklubfinanzierungen geht es zurück bis zum Kauf der Eurofighter für das österreichische Bundesheer.

Der Abfangjägerkauf war eines der ersten Großunternehmen der am 4. Februar 2000 angelobten ÖVP-FPÖ-Regierung Schüssel. Um heute noch zu schildern, was sich zwischen diesem Tag und dem Regierungsbeschluss am 2. Juli 2002, 24 Eurofighter zu bestellen, abspielte, müsste man eine gemeinnützige Stiftung einrichten, die das Werk finanziert. Begleitet von den heftigen Trompetenstößen der "Kronen Zeitung" gegen die Abfangjäger führte der Weg zur Vertragsunterzeichnung am 1. Juli 2003, wobei schon auffiel: Aus 24 Kampfflugzeugen waren bloß 18 geworden - wegen Hochwassers. Finanzminister Grasser, der sich gegen die Typenwahl ausgesprochen hatte, "beugte sich" und stimmte zu. Die Hintergrundmusik bildeten Verdächtigungen gegen PR-Jongleure wie etwa das Ehepaar Rumpold, Geldflüsse und überhaupt die "überfallsartige Unterzeichnung des Eurofighter-Deals" ("Oberösterreichische Nachrichten"). Der "Standard" fasste in einem Satz zusammen: "Es gibt kaum ein großes Waffengeschäft, bei dem es nicht erheblich stinkt."

Es verstrichen noch Monate, bis der Grüne Peter Pilz in Untersuchungsausschüssen brillierte und Gutachten über das Geschäft mit Gegengeschäften geschrieben waren. Erst nach Jahren geriet der Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly ins Visier der Eurofighter-Jäger und zieht seither trotz Einstellung mehrerer Verfahren immer neue Verdächtigungen auf sich - es gilt die Unschuldsvermutung. Die Zahl der für die nationale Sicherheit nötigen Eurofighter sank neuerlich, nämlich von 18 auf 15. Im März dieses Jahres beschloss der Ministerrat eine neue Sicherheitsdoktrin. Die Wehrpflicht soll, ginge es nach Verteidigungsminister Norbert Darabos, aufgehoben werden. Haben 3200 Eurofighter-Flugstunden die Sicherheit oder das Sicherheitsgefühl gehoben?

Am 29. März stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Strafverfahren gegen den vom Dienst suspendierten Generalmajor Erich Wolf, dessen Ehefrau, den EADS-Lobbyisten Erhard Steininger und das Ehepaar Gernot und Erika Rumpold ein.

Am Montag sagte Schüssel für den Fall, dass er in seiner Amtszeit getäuscht worden sein sollte, er würde das bedauern. "Darum gilt es, umgehend und vollinhaltlich Klarheit zu schaffen." Auch ein Altkanzler, dem eine brillante Fähigkeit zur Analyse attestiert wird, darf fromme Wünsche äußern.

Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".