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"Schüssel hat einen Tabubruch begangen"

Von Hannes Swoboda

Politik

Brüssel. Die Maßnahmen der EU-14 - im Jahr 2000 Causa Prima der Politik und im Volksmund als Sanktionen bezeichnet - haben die Gemüter der Österreicher erhitzt. Es war auch für uns als EU-Abgeordnete zum damaligen Zeitpunkt nicht leicht, einen Mittelweg zwischen der Verteidigung Österreichs, des Landes und seiner Bewohner einerseits und der Verteidigung europäischer Interessen andererseits zu finden. Es ging uns nie darum, im blinden Patriotismus eine Regierung zu verteidigen, die sich nicht klar auf dem Boden der europäischen Werte und der Toleranz befand.


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Ich habe bereits damals die Sanktionen als überzogen bezeichnet, auch wenn man im Kern Verständnis dafür aufbringen kann, betrachtet man den Kontext der damaligen politischen Situation in Europa. Besonders in konservativ regierten Staaten wie etwa Frankreich stand man ebenfalls unter dem Druck der erstarkten Rechten. Während dort ein "cordon sanitaire" gegenüber den Rechtsaußenparteien errichtet wurde und man eine Übertragung von Regierungsfunktionen - sei es auf Staats- wie auch auf regionaler Ebene - zu verhindern versucht hat, hat Wolfgang Schüssel einen Tabubruch begangen und die Regierungsbeteiligung der FPÖ ermöglicht, deren Vorsitzender Jörg Haider mit seinen Aussagen zur "ordentlichen Beschäftigungspolitik" die schlimmste Periode der Geschichte verharmlost hat. Es ist daher nachvollziehbar, dass Politiker wie der französische Staatspräsident Jacques Chirac Druck aufbauten, um ein sichtbares Zeichen für all jene zu setzen, die in der Abgrenzung zu Rechts nicht in der gleichen Deutlichkeit handelten wie er.

Ebenso stand mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ das europäische Einigungswerk auf dem Prüfstand. Eine Gemeinschaft, die vom Grundgedanken getragen ist, Frieden und Sicherheit für ihre Mitglieder zu gewährleisten, und die dafür steht, dass ähnliches wie der Nationalsozialismus nie wieder passieren darf, kann nicht ohne Widerspruch akzeptieren, wenn in einem - damals relativ neuen - Mitgliedsland von einer Regierungspartei diese Werte nicht uneingeschränkt unterstützt werden.

Darüber hinaus haben die Maßnahmen aber auch Schüssel geholfen, auch wenn dieser es nicht zugeben würde. Durch das entschlossene Handeln der anderen europäischen Staaten ist es ihm gelungen, Haider im Zaum zu halten. Ebenso hatte Schüssel durch die besondere Beobachtung, unter der Österreich stand, die Chance, in der schwarz-blauen Regierung seinen pro-europäischen Kurs zu verteidigen und durchzusetzen.

Dr. Hannes Swoboda ist seit 1996 Mitglied des Europäischen Parlaments und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas.