Wolfgang Schüssel wurde gestern Abend zum Superstar. Seine Fangemeinde war zahlreich erschienen, um den fulminanten Wahlerfolg und ihr Idol zu feiern. Der Parteiobmann hat damit den einstigen Polit-Popstar Jörg Haider ins Abseits katapultiert.
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Das Festzelt vor der VP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse war schon gegen 16 Uhr zum Bersten voll. Vorwiegend junge VP-Anhänger waren gekommen, um den fulminanten Wahlsieg ihrer Partei zu feiern. Die ÖVP, das war zu diesem Zeitpunkt klar, war auf dem Weg Nummer 1 zu werden. Als die ersten Hochrechnungen den Trend bestätigten, war die Stimmung auf ihrem Höhepunkt. Im Staccato skandierte die Fangemeinde des VP-Chefs: Wolfgang, Wolfgang.
Doch der ließ sich, wie es unter den richtigen Popstars üblich ist, Zeit. Seine Anhänger mussten warten. An seiner Stelle erschien Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat und dankte dem "lieben Gott, der Wolfgang Schüssel die Kraft für diesen Wahlkampf gegeben hatte". Der politische Gegner SPÖ wurde von der Menge mit Buhrufen und Pfiffen bedacht. Ein noch nie dagewesener Wahlerfolg - darüber waren sich die Feiernden einig. Ein Wiener Wahlkämpfer lobte die gute Arbeit des VP-Teams: "Ich habe noch nie so einen guten ÖVP-Wahlkampf wie diesen erlebt. Wolfgang Schüssel hatte die Zügel immer fest in der Hand gehabt und die Basis enorm motiviert."
Ein anderer Fan freute sich mächtig über "den höchsten Stimmenzuwachs, den es je gab: Das muss man sich vorstellen." Es herrschte Einigkeit: Schüssel hatte das Unmögliche möglich gemacht, er hat den Polit-Popstar Jörg Haider entzaubert, vom Podest gestürzt und seinen Platz eingenommen. Erst gegen 18 Uhr präsentierte sich der Kanzler und sein Team der jubelnden Masse, die ihn mit Standing Ovations und Wolfi-Wolfi-Gebrüll begrüßte.
In Anlehnung an die Wahlkampfparole "Keine neuen Schulden" erklärte Schüssel seinen Anhängern über das Wahlkampfbudget: "Wir haben keine Schulden, sondern alles ausfinanziert." Quereinsteigerin Ingrid Wendel war den Tränen nah: "Das ist der schönste Tag in meinem Leben." Und weils so schön war, stimmte die Menge "Ja so ein Tag, so wunderschön wie heute, der sollte nie vergehn" an.
Besonders erfreut zeigte sich Ferry Mayer, der in Transdanubien - Floridsdorf und Donaustadt - einen Spezialwahlkampf ums Grundmandat geführt hatte. Er konnte im Wahlkreis Nord 13,8 Prozent erreichen und erreicht nun nach 16 Jahren wieder ein VP-Grundmandat für diese Region. Er gesteht, dass aus den internen Umfragen der Trend ablesbar war. "Die Rohdaten sprachen eindeutig für uns. Nur wir waren vorsichtig und wollten nicht zu früh herausposaunen, dass die ÖVP über 40 Prozent liegen wird."
Ein Wahlhelfer ersten Ranges, Karl-Heinz Grasser, war übrigens nicht gekommen, um mitzufeiern. Aus dem Finanzministerium ist zu hören, er werde schon übernächste Woche in Urlaub gehen.