Der Nationalrat wird heute voraussichtlich mit nur einer Gegenstimme die EU-Verfassung ratifizieren. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel machte gestern nach dem Ministerrat im Pressefoyer mit Vizekanzler Hubert Gorbach deutlich, dass ihm die von BZÖ-Chef Landeshauptmann Jörg Haider vom Zaun gebrochene Diskussion um eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung nicht angenehm ist, gab sich aber gelassen.
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Der Kanzler verlässt sich auf seinen Verfassungsdienst, wonach der Vorrang des europäischen Rechts bereits seit Jahren explizit verankert ist. "Alle, die in den letzten Tagen verschiedene Ideen gehabt haben, hätten diese schon rund um den 2. März haben können", sagte Schüssel zu Haiders Wunsch nach einer Volksabstimmung über die EU-Verfassung. Damals wurde in einem Nationalrats-Ausschuss einstimmig beschlossen, die EU-Verfassung per Zwei-Drittel-Mehrheit zu ratifizieren. Was eben heute, Mittwoch, der Fall sein wird. Im März habe "kein Mensch so eine Initiative vorgetragen - aus guten Gründen", verwies der Kanzler auch auf die Zustimmung der FPÖ. Dagegen nannte Schüssel die vielen Vorteile einer Europäischen Verfassung (Seite 3), so sei "das österreichische Wasser wasserdicht geschützt".
Der Bundeskanzler sieht auch die österreichische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik nicht berührt, da in der Verfassung ein Verzicht auf jede Form des Angriffskrieges festgehalten sei. Warum Haider nun diese Kampagne für eine Volksabstimmung führt? "Wir haben Meinungsfreiheit", sagt der Kanzler und fügt in Hinblick auf die "Kronenzeitung" hinzu: "Große Zeitungen haben das wie kleine Politiker - wie ich."
Der Konflikt dürfte aber auch im BZÖ virulent sein. Vizekanzler Gorbach versucht dem Querschuss aus Kärnten auch etwas Positives abzugewinnen: "Die Demokratie lebt von unterschiedlichen Meinungen." Wenn sogar namhafte Verfassungsrechtler unterschiedlicher Meinung seien, dürften das auch Politiker. Es bleibe dem Landeshauptmann daher unbenommen, eine Klärung über verfassungsrechtliche Fragen zu bekommen.
Für Gorbach wäre aber eine gesamteuropäische Volksabstimmung wünschenswert "und das einzig Richtige". Ein nationales Referendum habe er aus guten Gründen und "weil es Regierungslinie" sei, nicht unterstützt.
Haider hat in der Sitzung der Kärntner Landesregierung gestern noch kein grünes Licht für eine Verfassungsklage erhalten, sowohl die Kärntner SPÖ als auch die ÖVP bleiben bei ihrem Nein. Neben inhaltlichen Begründungen will Peter Ambrozy auch nicht "als Vehikel im Konflikt zwischen ÖVP und BZÖ herhalten".
Von den Nationalratsabgeordneten dürfte heute nur Barbara Rosenkranz (FPÖ) gegen die Ratifizierung stimmen.