Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatten gestern eine intensive Aussprache über die Drohung von LH Jörg Haider nach der FPÖ-Wahlschlappe in der Steiermark, die Koalition platzen zu lassen und in Neuwahlen zu gehen, falls der Kanzler die ÖVP nicht im Griff habe. Seitens der ÖVP war man gestern um "Unaufgeregtheit" bemüht, Haider wiederholte aber gestern seine Drohung.
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Es gebe "sehr viele Kränkungen auf FPÖ-Seite, dass sie auf Länderebene nicht mit gebührendem Respekt behandelt werden", erklärte Riess-Passer gestern im gemeinsamen Pressefoyer mit dem Bundeskanzler. Sie habe mit Schüssel ein "sehr offenes Gespräch" geführt. Als "Nagelprobe" für die Regierung sieht die Vizekanzlerin die gemeinsame Umsetzung des Doppelbudgets (Seite 5) an. Das setze eine nachhaltige Strukturreform voraus, zu der sich alle bekennen müssten, bekräftigte sie.
"Unser Stil ist ein konsequentes Arbeiten in einiger Unaufgeregtheit", betonte Schüssel. Auf Bundesebene habe sich "am vertrauensvollen Stil der Zusammenarbeit nichts geändert". Aber, dass der Aufwind der ÖVP in der Steiermark "für andere schwer ist, ist auch klar". In diesem Zusammenhang erteilte der Kanzler Geschichtsunterricht. Die Länder habe es bereits vor der Zweiten Republik gegeben. Österreich sei ein föderalistischer Staat. Jeder Landeshauptmann denke an Österreich, aber jeder habe sein Bundesland im Blickpunkt. Das gelte besonders in einer so föderalistischen Partei wie der ÖVP: "Vielfalt kann eine Stärke sein." Er rufe daher "sicher niemanden zur Räson auf", erteilte der Kanzler dem Ansinnen Haiders, der VP-Obmann solle danach trachten, seine Partei ebenso gut im Griff zu haben wie die Vizekanzlerin die FPÖ, eine Abfuhr. Die Regierung werde "gerade in einer Zeit, wo viele Nerven blank liegen, zeigen, wir bringen was weiter", betonte der Bundeskanzler.
Weniger harmonisch meldete sich Haider gestern in Kärnten neuerlich zu Wort: "Entweder gibt es mit der Volkspartei eine faire Zusammenarbeit, oder es wird diese Koalition nicht mehr geben." Wenn sich die ÖVP fair verhalte, dann werde auch die FPÖ nicht in Bedrängnis kommen. Dass er der ÖVP die Rute Neuwahlen ins Fenster stelle, "hat nichts mit meiner Person zu tun", sagte Haider und bekräftigte, bis 2004 in Kärnten Landeshauptmann bleiben zu wollen.
Die ÖVP-Regierungsmitglieder plädierten gestern für Zurückhaltung. Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer etwa meinte: "Politik ist auch eine Frage der Nervenstärke." Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sieht keinen Schaden für die Partnerschaft. Man solle alle Äußerungen "ernst nehmen, aber nicht überbewerten". Die VP-Landeshauptleute selbst bekräftigten ihrerseits, sich auch weiterhin zu Wort melden zu wollen, besonders wenn Länderinteressen im Spiel seien.
Die FPÖ-Regierungsmitglieder hingegen bekräftigten die im FP-Vorstand festgelegte Position. Infrastrukturminister Michael Schmid meinte etwa, wenn Fairness in der Koalition nicht gegeben sei, werde die Zusammenarbeit schwierig. Er gehe davon aus, dass in der ÖVP "das Zeichen verstanden wird". Verteidigungsminister Herbert Scheibner sagte, es müsse klar sein, dass in der Koalition zwei gleich starke Partner gleichberechtigt seien. Es könne nicht so sein, dass immer nur einer die schlechte Nachricht überbringe. Sozialministerin Elisabeth Sickl kritisierte, es könne nicht so sein, dass die FPÖ das Regierungsprogramm korrekt umsetze und sich die ÖVP die Rosinen aus dem Kuchen picke.
SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures meinte, die Neuwahldrohung Haiders zeige, dass "mit einer Partei wie der FPÖ kein Staat zu machen ist". Überrascht ist sie, dass die FPÖ jetzt über das "Doppelspiel" der ÖVP empört ist. Das sei doch "etwas, das jeder kennt". Der Grüne Abgeordnete Peter Pilz sieht "die FPÖ jetzt wirklich am Rande des politischen Bankrotts". Bundessprecher Alexander Van der Bellen ortet "mehr als Theaterdonner" in der FPÖ. Der Frust der FPÖ über das Verhalten der ÖVP sei offensichtlich sehr groß.