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Schüssel: "Wir haben wieder eine Regierung"

Von Alexandra Grass

Politik

Eine erfolgreiche Bilanz der ersten 100 Tage Regierungsarbeit haben Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (F) Freitagvormittag im Bundeskanzleramt gezogen. Vor allem die gute Partnerschaft in der Koalition wurde von den beiden Parteichefs gelobt. "Ich kann mich auf die Vizekanzlerin und ihr Team verlassen", betonte Schüssel. Riess-Passer sprach von einer "ehrlichen und offenen" Zusammenarbeit. Stolz zeigten sich die beiden Regierungsspitzen auch über diverse Reformprojekte.


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Das "in größter Eile" erstellte Reformprogramm sei das "umfangreichste und wahrscheinlich anspruchsvollste der letzten 30 Jahre", betonte der Kanzler.

Besonders wichtig erschienen ihm das in raschem Tempo erstellte Budgetprovisorium und das darauffolgende Budget 2000, die Pensionsreform, die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter sowie die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfall.

"Wir haben wieder eine Regierung, nicht Reagierung"

"Wir haben wieder eine Regierung, nicht eine Reagierung", betonte Schüssel. Mit Stolz verwies er auch auf die neue Ressortverteilung. Diese "trägt meine Handschrift".

Mit u.a. Maria Schaumayer als Beauftragte für NS-Zwangsarbeit, Erhard Busek als Beauftragter für die EU-Erweiterung und Theodor Tomandl als Vorsitzender der Pensionskommission habe man die "besten Kräfte der Republik" in die Regierung geholt.

Zufrieden mit Budget 2000

Zufrieden zeigte sich Schüssel mit dem ersten Budget der Regierung. Immerhin sei mit einem Netto-Defizit von 54 Mrd. Schilling ein besseres Ergebnis erreicht worden als noch im Koalitionsabkommen vorgesehen. Dabei habe man den niedrigsten Defizit-Stand seit 1982 erzielt. Zurücklehnen dürfe sich die Regierung jedoch nicht. Es sei eine "Schande", dass Österreich beim Defizit mit "weit jenseits der Ein-Prozent-Grenze" zum klaren Schlusslicht unter den Euro-Staaten geworden sei.

Die Regierung arbeite deshalb an den nötigen "sehr umfangreichen Reformmaßnahmen". Schüssel betonte in diesem Zusammenhang: "Eine schmerzlose Budgetsanierung gibt es nicht". Man wolle eine strukturell bessere Budgetpolitik betreiben als zuletzt. Für 2001 und 2002 stünden harte Verhandlungen bevor.

Pensionsreform und Zwangsarbeiterentschädigung

Ein Eckpunkt der Strukturreform sei die Pensionsreform. Aufgrund der Ausgangslage - im Durchschnitt sei man heute 20 Jahre lang im Ruhestand, vor nicht allzu langer Zeit seien es noch sieben Jahre gewesen - müsse man mit einer Anhebung des Frühpensionsalters reagieren. Bei den Verhandlungen mit den Sozialpartnern könnten selbstverständlich alle Alternativen geprüft werden, nur müssten "Substanz und Zeitpunkt" stimmen.

Trotz der guten Arbeitsmarktsituation ortet der Bundeskanzler die Möglichkeit weiterer Arbeitsplatzzuwächse. Er wolle gegen Barrieren angehen, die Arbeit verhindern, etwa das Zustellungsmonopol bei der staatlichen Post.

Zur Entschädigung der früheren NS-Zwangsarbeiter erklärte Schüssel, dass man knapp vor einer gemeinsamen Lösung stehe. Ein wichtiger Schritt sei die Versöhnungskonferenz nächsten Dienstag in Wien. Noch vor dem Sommer will die Regierung gemeinsam mit den Oppositionsparteien eine parlamentarische Initiative zur Verrechtlichung des Vorhabens durchführen.

Die von Schaumayer genannte Entschädigungssumme von sechs Mrd. bezeichnete der Kanzler als Obergrenze, jedoch - "Man wird knapp darunter auskommen können". Schüssel meinte, dass die Wirtschaft Eigeninitiative zeigen soll.

Aufgabenreformkommission und Objektivierungsgesetz

Auch Riess-Passer betonte, dass die Regierung unter "erschwerten Bedingungen" arbeite. Man habe sich jedoch in kürzester Zeit eingearbeitet. Sie lobte neben den Anstrengungen im Verwaltungsbereich und der Initiative "e-Austria" auch den Privatisierungsschub bei der ÖIAG. Eine Aufgabenreformkommission soll eingesetzt werden mit dem Ziel, dass sich der Staat auf seine Kernfunktionen konzentrieren könne. Weiters sei ein Objetivierungsgesetz in Ausarbeitung, denn im öffentlichen Dienst soll künftig "Leistung zählen und nicht das Parteibuch", so Riess-Passer.

Der eingeschlagene Weg soll, so die Vizekanzlerin in den nächsten dreieinhalb Jahren fortgesetzt werden.

Angesprochen auf das Ausländerthema sagte Schüssel: "An der herzlichen Aufnahme von Ausländern hat sich nichts geändert, seit Frau Riess-Passer oder ich die Regierung führen". Österreich sei, was Ausländer, Flüchtlinge oder Gastarbeiter betrifft, "mit Sicherheit besser oder gleich gut wie die anderen europäischen Staaten". Die Regierung werde weiter den "Weg der behutsamen Integration und toleranten Aufnahme" gehen. Zum Vorwurf des Rassismus - der an die FPÖ gerichtet wird - hielt Schüssel fest: Rassismus sei strafbar, wer einen solchen Vorwurf habe, solle zu Gericht gehen.

Der Kanzler bereut die Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht. Diese habe "Behutsamkeit und Dynamik" bewiesen und "frischen Wind in die Regierungspartnerschaft" gebracht. "Ein bisschen wilde Frische und Mut brauchen wir schon", denn "nur mit angezogener Handbremse kann man das Rennen im Europa-Kontest nicht gewinnen", so Schüssel.