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Für eine neue Form des Zeugenschutzes plädiert der Salzburger Strafrechtler Hubert Hinterhofer. Gefährdete Zeugen sollten anonym mit optischer und akustischer Abschirmung vernommen werden. Dies würde dem Recht auf ein faires Verfahren laut Menschenrechtskonvention entsprechen. Die Praxis, auf die Befragung des Zeugen überhaupt zu verzichten oder einen "Zeugen vom Hörensagen" zu vernehmen, sei demgegenüber nicht zulässig.
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"Die Probleme mit dem Zeugenschutz sind wahrscheinlich so alt, wie es Zeugenbeweise gibt", eröffnet Hinterhofer sein Referat bei der Richtertagung in Ottenstein vergangene Woche. Der Balanceakt zwischen dem Interesse des Gerichts, die materielle Wahrheit zu erforschen, zwischen dem Interesse des Zeugen, durch die Aussage keinen Nachteil zu erleiden und dem Interesse des Angeklagten, nicht in den Verteidigungsrechten geschmälert zu werden, sei eine schwierige Herausforderung.
Als ultima ratio schlägt Hinterhofer abgeschirmte Einvernahmen vor, weil dabei der Zeuge uneingeschränkt befragt werden kann. Der Zeuge würde in einem gesonderten Raum, hinter einem Wandschirm o. ä. und mit verzerrter Stimme in der Verhandlung vernommen. Fragen könnten direkt oder über den Richter gestellt werden, erklärt Hinterhofer.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg hat eine solche abgeschirmte Zeugeneinvernahme vor zwei Jahren für zulässig im Sinne der Menschenrechtskonvention (MRK) erklärt. Unter der Voraussetzung allerdings, dass der Schuldspruch nicht ausschließlich auf Grund dieser Zeugenaussagen erfolgt.
Die österreichische Lehre müsste, meint Hinterhuber, diese Form der Einvernahme gefährdeter Zeugen neu bewerten. Von der heimischen Strafrechtswissenschaft wird nämlich die optische Abschirmung des Zeugen abgelehnt, mit der Begründung, dass dem Angeklagten oder wenigstens seinem Verteidiger das Mienenspiel einsichtig bleiben müsse. Auch die akustische Abschirmung wird in der Literatur weitgehend als unzulässig erklärt.
Gegen "Sperrerklärung"
Bedenken äußert der Salzburger gegen eine laut Oberstem Gerichtshof (OGH) zulässige Praxis: Die "Sperrerklärung". Die Polizei sichert in diesem Fall dem Informanten Vertraulichkeit zu und verschweigt dem Gericht den Namen. Seine Aussagen werden als "Beweissurrogat" in der Vernehmung wiedergegeben - entweder, indem das Protokoll der Polizei-Einvernahme verlesen wird oder indem ein Kripo-Beamter darüber befragt wird ("Zeuge vom Hörensagen"). Da der Angeklagte hier nicht die Möglichkeit hat, Fragen an den Zeugen zu stellen, widerspreche dies Art. 6 MRK.