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Schutz vor Überwachung - Mission Impossible?

Von Barbara Wiesner

Gastkommentare
Barbara Wiesner war von 1992 bis 2006 Professorin für Informatik an der Fachhochschule Brandenburg. Ihre Spezialgebiete waren unter anderem Kryptografie und Privacy. Inzwischen ist sie im Ruhestand und lebt in Wien.

Wir sind einer allgegenwärtigen Überwachung ausgesetzt. Um den Schutz des Privaten zu stärken, bedarf es eines mehrdimensionalen Ansatzes.


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Der Feind hört mit -- das hat Edward Snowden der Welt deutlich gemacht. Doch wer genau ist der Feind? Und wer ist Freund? Viele setzen ihre Hoffnung auf den Staat, der mittels Gesetze für Recht und Ordnung sorgen soll. Es steht außer Zweifel, dass der Staat die Aufgabe hat, seine Bürger vor Überwachung zu schützen. Damit ist die Gesetzgebung eine ganz wichtige Komponente, auf der Datenschutz beruht.

Doch zur Erreichung eines wirksamen Datenschutzes bedarf es mehr als Gesetze. Man muss sehen, dass die Rolle des Staates durchaus ambivalent ist. Der im Jänner verstorbene deutsche Strafrechtler Winfried Hassemer, einst Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, hat einmal gesagt: "Der Staat, so das Bild, ist nicht nur Partner in der Abwehr von Risiken und Verletzungen, er ist nicht nur Baumeister und Helfer bei der Konstruktion von Schutzwällen, welche die Sicherheit der Informationsverarbeitung gewährleisten; er ist bei dieser Verarbeitung auch Spion und Lauscher an der Wand, gegen die Interessen derer, für deren Kommunikation er sich interessiert." Diese andere Seite darf nicht übersehen werden. Daraus ergibt sich unmittelbar die Kontrolle des Staates als weitere wichtige Komponente für den Schutz vor Überwachung.

Wie nötig eine solche Kontrolle ist, zeigt folgendes Beispiel von Peter Schaar, von 2003 bis 2013 deutscher Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit: Eine Richtlinie der EU besagt, dass die für den Datenschutz zuständigen Stellen unabhängig sein müssen. In Deutschland mussten die Landesdatenschutzbeauftragten ihre Unabhängigkeit beim EuGH einklagen. Für den Bundesdatenschutzbeauftragten gilt diese Unabhängigkeit bis heute nicht. Und in Österreich führte erst ein Urteil des EuGH dazu, dass die Datenschutzkommission heuer durch eine unabhängige Datenschutzbehörde ersetzt wurde.

Als weitere Komponente ist die Eigenverantwortung der Bürger zu nennen. Ihnen muss bewusst sein, dass sie nicht die gesamte Kontrolle abgeben und gleichzeitig erwarten können, dass ihre Interessen trotzdem gewahrt bleiben.

Welche Probleme dabei auftreten können, zeigt die Verschlüsselung von E-Mails. Fast niemand verschlüsselt E-Mails, weil die Tools, die dafür angeboten werden, nicht praktikabel sind und die meisten Nutzer zudem keine Notwendigkeit zur Verschlüsselung sehen. Doch selbst wer seine E-Mails verschlüsselt, ist vor dem Zugriff des Staates nicht unbedingt geschützt, wie das Beispiel der als so sicher gepriesenen deutschen De-Mail zeigt. Sie wird vom Anbieter, nicht vom Kunden verschlüsselt. Damit kann der Staat im Bedarfsfall darauf zugreifen. Der Konflikt zwischen den Interessen des Staates und denen des Bürgers tritt hier deutlich zutage. Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs, formulierte es sehr drastisch: "Keine Regierung ist so blöd, ihren Bürgern ein abhörsicheres Kommunikationsmedium zu geben."

Immerhin ist in Europa starke Verschlüsselung erlaubt. Hat man entsprechende Kenntnisse, kann man sich durch Kryptografie vor dem Zugriff des Staates zumindest teilweise schützen. Neben rechtlichen spielen also auch technologische Aspekte im Kampf gegen Überwachung eine wichtige Rolle.