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Schutzgelderpressung im Internet?

Von Christian Hoffmann / WZ Online

Analysen

Der Vergleich mit Schutzgelderpressung geht auf Tim Wu zurück. Der Professor an der Columbia Universität kommentierte in einem Zeitungsartikel die aktuelle Debatte um den Begriff "Netzneutralität" in den USA mit einem Hinweis auf den Mafiaboss Tony Soprano aus der gleichnamigen Fernsehserie. Die Einführung einer neuen Gebühr für Datentransfer könnte ein Geschäftsmodell des kriminellen Soprano-Clan sein, so der Professor.


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Der drastische Vergleich bezieht sich auf den Vorschlag, eine spezielle Maut für besondere Daten im Internet einzuheben. Die Idee stammt von Firmen wie AT&T, Bellsouth oder Verizon, deren Breitbandnetze die Übermittlung von Daten im Internet auf ein neues Niveau gebracht haben und die deswegen seit einiger Zeit Gebühren für die schnelle Weiterleitung von Datenströmen einheben wollen. Ihr Argument lautet: Firmen wie Google oder Amazon machen mit dem beschleunigten Datenverkehr im Netz große Gewinne und es wäre nur fair, wenn die Betreiber und Erhalter der Infrastruktur davon etwas mehr als bisher abbekämen.

Die Gegner dieses Vorschlags pochen auf "Netzneutralität", den aktuellen Kampfbegriff in Washington. Google hat bereits kartellrechtliche Schritte gegen die Einführung neuer Gebühren angekündigt. Gemeinsam mit anderen, ansonsten konkurrierenden Platzhirschen der IT-Branche wie Microsoft oder Ebay findet man sich plötzlich in einer gemeinsamen Front zum Freiheitskampf zusammen.

Die Folgen einer Lenkung der Datenströme durch neue Gebühren wären tatsächlich weit reichend, auch für den normalen User. Es läge etwa in der Hand der Netzbetreiber, den Zugriff der Kunden auf bestimmte Suchmaschinen zu steuern oder Telefongespräche über das Internet zu verhindern. Kleinere Firmen, die nicht in der Lage sind, höhere Gebühren zu bezahlen, hätten vermutlich drastisch schlechtere Chancen, im Netz wahrgenommen zu werden.

Doch sind im vergangenen Jahr in den USA zwei Gesetzesentwürfe, die die Netzneutralität festschreiben sollten, gescheitert. In der Europäischen Union wird die Debatte vorerst abwartend beobachtet, obwohl in einem aktuellen Papier zur Vorbereitung einer Richtlinie für elektronische Kommunikation davon die Rede ist, dass das Prinzip der neutralen Verbreitung von Netzinhalten "gestärkt werden muss".

Nicht ganz so drastisch wie Professor Wu sagt es sein Kollege aus Stanford. In einem Gutachten für den US-Senat verweist Lawrence Lessig von der "Stanford Law School" auf den wirtschaftlichen Erfolg, der mit der Entwicklung des Internets im zwanzigsten Jahrhundert verbunden war. Der sei auf Freiheit des Wettbewerbs im Netz zurückzuführen gewesen, die sich aus der offenen Struktur ergibt. Eine Einschränkung dieses Wettbewerbs durch Regelungen zugunsten von Netzbetreibern, so der Gutachter, würde die Struktur und damit die wirtschaftliche Dynamik in Frage stellen.

LinksTim Wu im SlateTestimony of Lawrence Lessig (PDF)EU Working Document (PDF)