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So schnell kann es gehen. Noch vor kurzem zweifelte kaum jemand an einem deutlichen Sieg der Tories bei den Parlamentswahlen im Vereinigten Königreich. Nun könnten die Konservativen die absolute Mehrheit verlieren, manche Umfragen sagen sogar ein Patt mit Labour voraus. Schuld daran ist Premierministerin Theresa May, die zu siegessicher war - und einige grobe Fehler begangen hat.
Mit dem Vorschlag, Alte stärker an ihren Pflegekosten zu beteiligen ("Demenz-Steuer"), vergraulte sie nicht nur Pensionisten. Ihr Image als Eiskönigin überstrapaziert hat sie auch mit der Ankündigung, das Gratis-Essen an Volksschulen einzuschränken und das Verbot der Fuchsjagd aufzuheben. Am verheerendsten wiegt aber, was schon lange zurückliegt - und ohne die jüngsten Anschläge vielleicht gar nicht ins Rampenlicht gezerrt worden wäre. Denn May nahm das Attentat in Manchester zum Anlass, ihre bis zur Lächerlichkeit wiederholte "Stark und stabil"-Phrase auf die Terrorbekämpfung anzuwenden, nach dem Motto: "Wer, wenn nicht ich, kann euch vor dem Bösen schützen?" Dabei scheint May vergessen zu haben, dass sie es damals war, die als Innenministerin 20.000 Stellen bei der Polizei abgebaut hat. Dieser Widerspruch lässt sie ganz schön schwach und wankend dastehen. Nun, nach dem Attentat in London, hat auch Labour-Chef Jeremy Corbyn erkannt, dass sich aus Mays Fehlern Profit schlagen lässt - und verspricht 10.000 zusätzliche Polizisten.
Und mit ihrem neuen Fokus auf "das Böse" in Form des Islamismus könnte sich May sogar doppelt schaden. Denn von wachsendem Misstrauen gegen Muslime profitierten in der Regel die Rechten: Die totgesagte Anti-Einwanderungspartei Ukip könnte den Tories einmal mehr ein paar Prozent streitig machen.
May, die Kinder hungern lassen und pflegebedürftigen Alten das Geld wegnehmen will; May, die in Zeiten des Terrors Sicherheitskräfte einspart - viele Briten fragen sich, wer diese Frau eigentlich ist, die sie aus der EU führen soll. Und Corbyn, der sogar in den eigenen Reihen verspottet wurde, hat plötzlich wieder eine reale Chance. Das macht die Wahlen am Donnerstag doch noch spannend. Dabei hatte May die Neuwahlen in der Überzeugung ausgerufen, dass sie die Tory-Mehrheit festigen - und ihr den Rücken für die schwierigen Brexit-Verhandlungen mit Brüssel stärken würden.