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Kürzlich wurde in Grutas, 130 Kilometer südlich von Vilnius, der "Park der sowjetischen Monumente" eröffnet. Der umstrittene Park ist aber schon lange vor der offiziellen Eröffnung überaus zahlreich besucht worden.
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Als gegen Ende der 80er-Jahre nach Jahrzehnten der Diktatur in den Ländern des ehemaligen Ostblocks der Lauf der Geschichte die kommunistischen Machthaber nach und nach abzudanken nötigte, gingen in den Medien Bilder um die Welt, auf denen zu sehen war, wie die monströsen Denkmäler der Sowjet-Idole mit Kränen von ihren Sockeln gestoßen wurden. Auch in Litauen ereignete sich dieses Schauspiel in vielen Städten, als das Land 1990 seine lang ersehnte Freiheit wiedererlangte.
Weil man in Litauen zunächst nicht so recht wusste, was mit dem verhassten Sperrmüll der Geschichte geschehen sollte, erfolgte zunächst eine Zwischenlagerung in diversen Hinterhöfen öffentlicher Gebäude. Acht Jahre danach erwarb die Statuen der Industrielle Viliumas Malinauskas und projektierte auf einem, in seinem Privatbesitz befindlichen, 20 Hektar umfassenden Areal einen Park, in dem diese Sowjetdenkmäler die Hauptattraktion sein sollten.
Der ehemalige litauische Ringer-Champion Malinauskas hat sich nach Beendigung seiner sportlichen Karriere auf die Verarbeitung von Pilzen spezialisiert und beschäftigt in seinem Wirtschaftsimperium derzeit mehr als 200 Menschen. Sein Unternehmen "Hesona" produziert über 50 verschiedene Feinkostartikel, welche vor allem nach Westeuropa, aber auch in die USA und nach Israel exportiert werden.
Wie B. Neniskis, Manager des "Hesona Club" und nebenbei auch für die Öffentlichkeitsarbeit des "Parks der sowjetischen Monumente" zuständig, der "Wiener Zeitung" mitteilt, sei die Initiative zur Errichtung des Parks im Jahr 1998 vom litauischen Parlament ausgegangen, das damals eine öffentliche Ausschreibung gemacht habe. Von den vier eingereichten Projekten sei jenes von Malinauskas am qualifiziertesten befunden worden, weshalb er den Zuschlag erhielt.
Die Monumente von Stalin, Lenin und anderen Sowjetgrößen sind auf einer Gesamtlänge von 1,5 Kilometer zur Aufstellung gebracht worden. Insgesamt beherbergt der Park 50 Skulpturen, die in diversen Untereinheiten angeordnet sind. Im sogenannten "Totalitären Kreis" befinden sich Denkmäler von ideologischen Vordenkern wie Lenin, Marx und Engels, während im "Kreis der Okkupation" Standbilder von Organisatoren der Auslöschung des litauischen Staates stehen. Weitere Untereinheiten sind der "Kreis des Terrors", der "Sowjetische Kreis", der "Rote Kreis" und der "Kreis des Todes".
Die litauische Regierung, so Neniskis, habe dem Parkbetreiber mittels Leihvertrag sämtliche Statuen kostenlos zur Verfügung gestellt. Nichtsdestotrotz sei von Malinauskas bislang nahezu eine Million US-Dollar in das Projekt investiert worden, zumal eine aufwendige Infrastruktur geschaffen werden musste und zudem ein Museum errichtet wurde, worin mittels weiterer Exponate sowie mithilfe von Dokumentarfilmen die jüngere Geschichte des Landes präsen-tiert wird.
Malinauskas hat auch Fragmente von sibirischen Konzentrationslagern nachbauen lassen, die dem Besucher ein hautnahes Mitfühlen der sowjetischen Gräuel ermöglichen sollen. Die Gulag-Atmosphäre Sibiriens wird zudem durch die natürlichen Bedingungen des Parks evoziert, zumal sich die Ausstellungsfläche weitgehend auf sumpfigem Gebiet befindet. Der Ex-Ringer konnte für seinen Park auch eine Original-Lokomotive mit Viehwaggons auftreiben, die ehedem für Zwecke der Deportation benutzt worden war. "Das ist ein sowjetisches Relikt - ein schreckliches Symbol, das uns zurückversetzt in die Jahre 1941 und 1952, als das repressive sowjetische System einen Massengenozid am litauischen Volk verübte", sagt Neniskis.
Um auch den jüngsten Besuchern etwas bieten zu können, hat Malinauskas seinem Park einen Streichelzoo sowie einen Kinderspielplatz angegliedert.
Eine Befragung innerhalb der litauischen Bevölkerung über das Park-Projekt ergab eine Zustimmung von 60 Prozent, so Neniskis. Die in westlichen Medien geäußerte Kritik über sein Projekt weist Malinauskas, dessen Vater während der Sowjetherrschaft nach Sibirien deportiert worden war, energisch zurück. Wiederholt haben Zeitungen dem Millionär den Vorwurf gemacht, er wolle durch die geschmacklose Zurschaustellung von menschlichem Elend im großen Stile abkassieren. Dazu bemerkte der Unternehmer, er verstehe sein Werk keineswegs als "Spektakel"; auch handle es sich nicht - wie immer wieder kolportiert wird - um einen "Themen-Park", sondern um eine Gedenkstätte, worin er die leidvolle Geschichte seines Volkes in den letzten Jahrzehn-ten dokumentieren möchte. Vor allem solle die Ausstellung Anschauungsmaterial für litauische Schüler bereitstellen, die gemeinsam mit ihren Geschichtslehrern im Park erwartet werden.
Auch Norwegen und Schweden hätten bereits bekundet, jährlich 50 bis 60 Studentengruppen nach Grutas zu bringen, betonte Neniskis. Mittelfristig möchte Malinauskas seine Ausstellung um ein weiteres Museum mit einer Bildergalerie zum Thema "Sowjetkunst" erweitern. Auch die Sammlung der Monumente soll noch laufend vergrößert werden. Diesbezüglich gebe es Verhandlungen mit Lettland und Estland, um auch deren Skulpturen für die Ausstellung zu gewinnen, wodurch der Park "ein Genozid-Zentrum der baltischen Staaten" werden könne.