Die Novelle des Korruptionsstrafrechts wird als Schritt in die richtige Richtung gesehen, der Weg ist aber noch lang.
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Das strengste Antikorruptionsrecht der Welt" habe man geschaffen, lobte sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bei der Präsentation der Novelle des Korruptionsstrafrechts selbst. Franz Fiedler, Ex-Präsident des Rechnungshofes, wunderte sich am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal" eher darüber, weshalb die Strafbarkeit so stark eingeschränkt wird. Martin Kreutner, Proponent des Anti-Korruptionsvolksbegehrens, nannte den Entwurf gegenüber der "Wiener Zeitung" im Jänner immerhin "einen guten Start".
Rund zweieinhalb Jahre dauerte es nach der Ankündigung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am ersten Jahrestag der Veröffentlichung des Ibiza-Videos, bis ein Entwurf fertig war, der den Inhalt des Videos endlich unter Strafe stellen sollte. Der Fall Heinz-Christian Strache zeigte große Lücken im Korruptionsstrafrecht auf.
Am Donnerstag endete nun auch die Begutachtungsfrist des "strengsten Antikorruptionsrechts der Welt" mit 30 Stellungnahmen. Die meisten von Institutionen oder Personen, die mit der Materie vertraut sind. Die Stellungnahmen lassen sich auf vier Kritikpunkte herunterbrechen. Sie sehen einfache Umgehungsmöglichkeiten, nicht intendierte Konsequenzen und unklare Formulierungen, die viel Interpretationsspielraum eröffnen.
Kandidaten und
die "hypothetische
Möglichkeit"
Für die Korruptionsstrafrechtsexpertin der Universität Wien, Susanne Reindl-Krauskopf, ist der Begriff des "Kandidaten" noch zu unbestimmt. Es sei oberste Maxime des Strafrechts, klare Unterscheidungen zwischen strafbarem und straflosem Handeln zu haben. Das sei hier noch nicht der Fall.
Durch die Bank hinterfragen Institutionen die Formulierung einer "nicht bloß hypothetisch möglichen Funktion als Amtsträger", die für eine Strafbarkeit notwendig ist. Es bleibe unklar, ab wann etwas nur mehr abstrakt hypothetisch ist. Und ab wann man als Kandidat gilt. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien sieht es immer noch nicht klar ausformuliert, ab wann sich jemand zum Beispiel für ein Ministeramt bewirbt.
Ähnliches befürchtet auch die Österreichische Rechtsanwaltskammer. Sie warnt davor, dass "nur aussichtsreiche Bewerber für politische Ämter" kriminalisiert werden würden, "wenn es doch generell verboten sein sollte, für zukünftige pflichtwidrige Handlungen und Unterlassungen Geld zu fordern". Die "bloß hypothetisch" mögliche Ernennung sei zu unbestimmt und "eine reine Geschmacksfrage der Judikatur".
Unklarer Begriff erlaubt
einfache Umgehungen
Weitgehend nur Warnungen kommen auch bei der zeitlichen Einschränkung, die im Gesetz vorgesehen ist. So wäre nur strafbar, wer sich "in einem Wahlkampf, einem Bewerbungs- oder Auswahlverfahren" befindet. Das Gesetz würde demnach nicht greifen, wenn sich Personen vor einem Wahlkampf, Bewerbungs- oder Auswahlverfahren Dinge versprechen lassen oder versprechen. Mit ein bisschen Planung kann man sich also der Verfolgung entziehen.
Wahlen seien absehbar, Ausschreibungen ebenso, etwa "wenn der bisherige Amtsinhaber das gesetzliche Pensionsalter erreicht" hat, warnt die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in ihrer Stellungnahme. Es ist Teil der ministeriellen Realität, dass Ausschreibungen und geplante Postenbesetzungen schon lange bekannt sind, bevor es überhaupt zu einer formellen Ausschreibung kommt. Der Oberste Gerichtshof bemängelt dafür die ungeeignete "zeitliche und personelle Abgrenzung" durch den Begriff Wahlkampf.
Objektive Bedingung
im Strafrecht selten
Reindl-Krauskopf sieht auch große Probleme bei einer weiteren Bestimmung: So soll das Versprechen einer Handlung erst strafbar werden, wenn man das dazu notwendige Amt auch wirklich bekommt. "Bislang wird das Fordern eines Vorteils als Tathandlung mit dem schwersten Unrecht gesehen", argumentiert Reindl-Krauskopf. Und weiter: "Das Inaussichtstellen korrupter Amtsführung wird nicht deshalb weniger verwerflich, weil der potenzielle Täter zufällig letztlich doch nicht Amtsinhaber geworden ist", so Reindl-Krauskopf.
Auch andere Institutionen sehen diesen Teil des Gesetzes kritisch: Wer durch Medien entlarvt werde und daraufhin seine Kandidatur zurückziehe, würde künftig weiterhin straffrei bleiben, warnt etwa der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (Örak). "Eine Schärfe bekommt das Anliegen der Verhinderung der politischen Korruption dadurch aber gerade nicht", schreibt der Örak, der das genauso einschätzt wie der Oberste Gerichtshof: "Dass das verpönte Verhalten nicht zum Ziel geführt hat, ändert am Handlungswert nichts." Für die Universität Innsbruck ist das allerdings kein Problem: Sie sieht es als "eine Art ‚tätige Reue‘", wenn das Amt nicht angetreten wird, denn so könne es auch zu keiner korrupten Amtshandlung kommen.
Ein ganz anderes Problem ortet der Rechnungshof, der davor warnt, dass man Kandidaten selbst dann nicht rechtlich belangen könne, wenn sie die Tatbestände zwar erfüllen, aber "das Bewerbungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist".
Der Mandatskauf als Problem
Im Entstehungsprozess war laut Informationen der "Wiener Zeitung" die größte Schwierigkeit, den Mandatskauf sinnvoll zu erfassen. Gerade bei der ÖVP soll die Angst bestanden haben, dass man sich bei einer zu weiten Auslegung schon bei der Listenerstellung vor einer Wahl rechtliche Probleme einhandeln könnte. Ein Problem, das die Grünen in der Form nicht haben, wird die Liste hier von den Parteimitgliedern demokratisch gewählt.
Die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Ilse-Maria Vrabl-Sanda, bekrittelt hingegen, dass Mandatskauf nur mit Geld verboten wird, nicht mit Dingen, die einen Geldwert haben, geschweige denn von rein persönlichen Gefälligkeiten wie sexuelle Dienste. Vrabl-Sanda versteht auch nicht, wieso es zu einer Straffreiheit kommen soll, wenn jemand Geld für ein Mandat anbietet, das Gegenüber aber nicht darauf einsteigt. Der Korruptionsbekämpfung würde in diesem Entwurf "die Zähne gezogen" werden, schreibt sie abschließend.