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Schwammiges zum Standort

Politik

Die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts war im Wahlkampf kaum Thema - die Ökonomie vermisst konkrete Konzepte.


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Noch ist Wahlkampf: Die Konjunktur rund ums Land beginnt zu schwächeln, die Digitalisierung verändert Arbeit und Unternehmen, die Klimakrise beschäftigt die Leute. Die Politiker dagegen beschäftigen sich mit der von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ausgelösten Ibiza-Affäre, enorm hohen Parteispenden, gerade einmal in Ansätzen mit dem Klima. Die Debatten sind mehr von unversöhnlichen Schuldzuweisungen zwischen den Parteien in jedwede Richtung geprägt.

Antworten auf Fragen der Zukunft des heimischen Wirtschaftsstandorts kommen in den Debatten gar nicht vor. Auch wenn Christoph Badelt, der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), den Standort als "zwar prinzipiell sehr erfolgreich" beschreibt, sagt er auch: "Es gibt ein paar Engpässe, die im Wahlkampf leider überhaupt keine Rolle gespielt haben." Darunter einige Fragen zum Standort, die man nach den Wahlen beantworten muss.

Gutes Zeugnis

Dass es um den heimischen Standort nicht so schlecht bestellt ist, bestätigt eine Analyse des Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmens Deloitte: Im Report zu den Standortfaktoren gibt es Lob für Österreichs Infrastruktur: "Die Straßen-, Schienen- und Energieinfrastruktur gilt sogar als vorbildlich", heißt es da. Nachholbedarf gebe es beim Ausbau der für die digitale Transformation wichtigen Breitbandnetze. Auch die Forschungsförderung sei ein großes Plus des Landes, die Lebensqualität sowieso. "Forschungs-Champion Österreich: In den Bereichen Innovation, Forschung und Entwicklung hat sich das Land einen klaren Standortvorteil erarbeitet. Zahlreiche Hidden Champions sind Technologieführer in ihren Branchen, und das weltweit. Die Forschungsquote ist hoch und die Investitionen steigen", ist da zu lesen.

Schwächen sieht Deloitte bei hohen Kosten, einem "chronischen" Fachkräftemangel, außerdem wünschten sich Unternehmen angesichts des administrativen Aufwands "mehr Luft zum Atmen".

Ein zentrales Problem bleibt auch für Wifo-Chef Badelt die Überregulierung, sowohl an den Genehmigungsverfahren als auch im Steuerrecht gebe es einige Schrauben, die man lockern könnte, aber auch das Gewerberecht muss aus Badelts Sicht noch weiter liberalisiert werden.

Auch Christa Schlager, Leiterin der wirtschaftspolitischen Abteilung der Arbeiterkammer, stellt Österreichs "High Road"-Strategie ein gutes Zeugnis aus: "Wir wollen nicht in den preislichen Wettbewerb, sondern in den um die besten Produkte und Dienstleistungen eintreten." Auch sie spricht von den vielen Hidden Champions, "die es hierzulande gibt."

Steuerung des Standorts

Alles in Butter? Konkrete Maßnahmen nicht notwendig? Keineswegs - gerade angesichts des digitalen Strukturwandels und der Klimakrise müssten Standortfragen neu bewertet und beantwortet werden. "Österreichs Politik muss diesen Strukturwandel aktiv angehen, für Jahrzehnte die Weichen stellen", sagt Schlager. "Jetzt wo es günstig Geld gibt, sollte investiert werden. Das ist wichtiger als eine Schuldenbremse in der Verfassung oder Senkung der Abgabenquote." Trotzdem beschlossen ÖVP, FPÖ und Neos in der letzten Nationalratssitzung vor der Wahl, dass die Schuldenbremse in der Verfassung verankert werden soll.

ÖVP und FPÖ wollen Unternehmen über die Körperschaftssteuern entlasten, alle Parteien sprechen sowieso immer von weniger und nicht mehr Bürokratie. Und: "Forschungsförderung zum Beispiel bringt mehr für die Entwicklung der Realwirtschaft als eine Senkung der Körperschaftssteuer." Dabei liegt die ohnehin mit 23,1 Prozent Steuern, die Unternehmen in Österreich effektiv bezahlen, im europäischen Mittelfeld.

Badelt vermisst im Unternehmenssteuerbereich Entscheidungsfreudigkeit der vergangenen Regierungen. Mehr noch: Dem Senken der Körperschaftssteuer würde er eine Entlastung des Faktors Arbeit vorziehen - wie übrigens alle Parteien.

Auch wenn die staatlichen Investitionsquoten Österreichs brutto bei rund drei Prozent und damit deutlich über jenen Deutschlands liegen, fordert die Agenda Austria die Politik auf, den "Investitionsturbo zu zünden": mehr Spielraum bei den Abschreibungsregeln, mehr Risikokapital, mehr Strukturreformen, etwa um den Breitbandausbau zu finanzieren.

Investieren, aber richtig

Investitionen in den Standort kommen in allen Wahlprogrammen vor. Die ÖVP widmet etwa 25 ihrer 100 thematischen Punkte diesem Bereich. Spitzenkandidat Sebastian Kurz wird sogar damit zitiert, dass alle 100 Punkte "konkrete Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes" seien. Anstelle von Konkretem aber bleibt es bei Vorhaben wie zum Beispiel "Vorreiter bei 5G in Europa werden und Breitbandausbau vorantreiben" - der Weg dahin fehlt. Die SPÖ gibt sich ähnlich visionär - und bleibt ähnlich lapidar: "Unsere Vision: Wohlstand schaffen, Arbeitsplätze sichern - und Österreich als Wirtschaftskraft erhalten."

Investitionen will auch die AK, aber andere als Agenda Austria: Hier stehen solche in Bildung, den Sozialstaat als Sicherheitsnetz für die Arbeitnehmer im Vordergrund: Letztere seien "auch eine Entlastung für Unternehmen, die rein ökonomisch gesehen das Interesse haben, dass Humanressourcen möglichst lange am Markt bleiben".

IHS-Chef Martin Kocher sieht darüber hinaus bei weichen Faktoren einen Nachholbedarf: "Angesichts der Pensionierungswelle und dem digitalen Strukturwandel stimmen Arbeitskräfte-Angebot und -Nachfrage immer weniger überein." Bildung zum Beispiel, "denn gerade wegen des digitalen Umbaus haben wir großen Bedarf in dem Bereich." Als Allgemeinplatz trommeln das alle Parteien seit Jahren.

Kocher vermisst aber auch eine sogenannte "Willkommenskultur" als weichen Standortfaktor - damit meint er die Attraktivität des Landes für ausländische Arbeitskräfte: "Österreich hat es bisher nicht geschafft, zwischen Asyl und Flucht und für den Arbeitsmarkt notwendige Zuwanderung zu unterscheinen. Das wird häufig in einen Topf Migration geworfen", sagt der Ökonom. Instrumente wie die Rot-Weiß-Rot-Card zeigen kaum Wirkung.

Hier bleibt die FPÖ ihrem Motto treu, Zuwanderung wird im Wahlprogramm als Gefahr geschildert - für Heimat, Sicherheit und Arbeitsmarkt. Statt Willkommenskultur heißt es: "Nein zu Massenzuwanderung und Willkommenspolitik" - also keine qualifizierten Arbeitskräfte aus Drittstaaten.(jm/mad)