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Unterschiedliche Bilanzierung in Krisenzeiten. | Schnelle Abwertung bei internationalen Regeln. | Wien. Die Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten führen auch zu Diskussionen über den richtigen Bilanzansatz bei Beteiligungen. Die Schlüsselfrage lautet: Wenn Börsenkurse massiv einbrechen, sind die Verluste dann sogleich in der Bilanz der die Beteiligung besitzenden Gesellschaft auszuweisen? Das heimische Unternehmensrecht gibt darauf eine ganz andere Antwort als die internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS.
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Heimische Standards
Beteiligungen sind längerfristig gehaltene Anteile an anderen Unternehmen. Nur wenn sie eine dauernde Wertminderung erfahren, müssen sie nach den österreichischen Regeln auch als Teil des Anlagevermögens abgewertet werden. Diesen Grundsatz nennt man das gemilderte Niederstwertprinzip.
Ist man an einem börsenotierten Unternehmen beteiligt, so sind die Beteiligungen selbst dann nicht abzuwerten, wenn der Kurs unter den Anschaffungspreis fällt - sofern es sich nicht um eine dauernde Wertminderung handelt.
Prinzipiell erlaubt wäre eine solche Abwertung allerdings auch bei nur kurzfristigen Wertschwankungen. Denn das österreichische Bilanzrecht räumt beim Anlagevermögen ein Wahlrecht ein. Steigt der Börsekurs wieder, muss bei Beteiligungen in der Regel wieder aufgewertet werden. Die absolute Obergrenze der Bewertung bilden die seinerzeitigen Anschaffungskosten.
Hochschaubahn
Anders stellt sich die Situation nach den "International Finance Reporting Standards" (IFRS) dar. Die sehr komplizierten Spielregeln sehen für die Beteiligungen zwar vier mögliche Bewertungsszenarien vor. Die eigentliche Bewertung erfolgt jedoch in den meisten Fällen mit dem "Fair Value".
Der Fair Value lässt sich vereinfacht als abgezinste zukünftige Cashflows beschreiben. Für jede Beteiligung muss also eine Unternehmensbewertung durchgeführt werden. In Zeiten von steigenden Zinsen beziehungsweise Marktrisikoprämien sinken die zukünftigen Cashflows und damit verbunden auch die Unternehmenswerte. Das kann zu einem massiven Abwertungsbedarf führen. Bei Tochterunternehmen, Joint Ventures und assoziierten Unternehmen sehen die IFRS ein strenges Niederstwertprinzip vor: Wäre ein niedrigerer Betrag zu erzielen, muss auch auf diesen abgewertet werden. Die Beteiligung an einem börsenotierten Unternehmen ist grundsätzlich zum Börsekurs zu bewerten.
Gemäß IFRS sind Beteiligungen daher während einer Finanzkrise mit fallenden Kursen wesentlich schneller abzuwerten als nach österreichischem Recht. Dafür erlauben es die internationalen Standards in Zeiten der Hochkonjunktur, einen Unternehmensanteil über den seinerzeitigen Erwerbspreis aufzuwerten. Werden die IFRS angewendet, schwanken daher die Beteiligungswerte in der Bilanz wesentlich stärker, als wenn die österreichischen Kriterien zum Zug kommen. Ob diese starken Schwankungen wirtschaftlich gerechtfertigt sind, ist zweifelhaft.
Die Wahl zwischen den beiden Bilanzierungsregeln obliegt jedenfalls dem Unternehmen. Während Konzerne, die nach IFRS bilanzieren, keine Bilanz mehr nach österreichischem Recht legen müssen, bleibt einem eine Doppelbilanzierung bei Einzelabschlüssen nicht erspart.
Erich Wolf ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Wien.