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Schwarz-Blau geht uneins ins neue Jahr

Von Karl Ettinger

Politik

In Oberösterreich spaltet die Corona-Politik die Koalition zwischen ÖVP und der FPÖ. Die SPÖ rüttelt am Proporz.


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Er beschwor "Zusammenhalt" und "Miteinander" in seiner Neujahrsansprache für 2022. Der Appell von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) war an seine Landsleute gerichtet - vor allem aber auch an die Opposition zur schwarz-blauen Koalition auf Landesebene. Vieles auf der politischen Bühne sei "vielleicht noch Ausdruck eines verlängerten Wahlkampfes" gewesen, beklagte der Landeshauptmann.

Er nahm damit darauf Bezug, dass SPÖ und Neos im vergangenen November sogar Stelzers Rücktritt und die Einsetzung eines unabhängigen Krisenmanagers verlangt hatten. Oberösterreich hatte wochenlang die höchsten Corona-Infektionszahlen verzeichnet. Stelzer kündigte aber erst bei einer Sondersitzung des Landtags Mitte November im Alleingang verschärfte Maßnahmen an, die in der Folge einen längeren Lockdown für alle bis 17. Dezember brachten.

Stelzers Aufruf zum Zusammenhalt war aber auch an den Koalitionspartner FPÖ zu verstehen. Nach der Landtagswahl am 26. September hat die Landes-ÖVP zwar im Oktober die einzige Koalition mit der FPÖ in einem Bundesland um weitere sechs Jahre bis 2027 verlängert. Gleichzeitig gab es aber in den ersten Monaten dieser Neuauflage von Schwarz-Blau kein Miteinander der Koalitionspartner bei der Bekämpfung der Pandemie.

Einsame Präsentation

Die ÖVP diktierte und präsentierte letztlich die strengeren Corona-Regeln der Öffentlichkeit ohne den blauen Koalitionspartner. Vizelandeshauptmann und FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner übte hingegen Kritik am Lockdown. Auch atmosphärisch sei die Stimmung deutlich anders als während der ersten schwarz-blauen Koalition ab 2015, wird in Linz geschildert.

Das Miteinander reichte aber dafür, eine etwaige Bruchstelle nicht einmal zwei Monate nach der Besiegelung des erneuten schwarz-blauen Koalitionspakts zu meistern. Letztlich wurde das Landesbudget im Dezember 2021 von den schwarz-blauen Koalitionspartnern beschlossen. Die SPÖ hält das Budget bloß für "ein Fortschreiben des Bestehenden", das ideenlos sei. Im Landtag ist die ÖVP für eine Mehrheit auf die FPÖ angewiesen, in der Landesregierung hätte die ÖVP mit fünf Vertretern auch alleine eine Mehrheit.

Für Schwarz-Blau ist das Miteinander eine Gratwanderung. Die ÖVP hat im Landtagswahlkampf Oberösterreich zur "kicklfreien Zone" erklärt, um zu unterstreichen, dass der blaue Koalitionspartner anders agiere als der ganz auf Totaloppositionskurs ausgerichtete FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl.

Allerdings schaffte bei der Landtagswahl die impfskeptische Liste MFG auf Anhieb überraschend den Sprung in das Landesparlament. Haimbuchner war daher in den vergangenen Monaten bemüht, jene bei der Stange zu halten, die die Corona-Einschränkungen massiv bekämpfen und die entsprechenden Demonstrationen unterstützen. Zugleich signalisierte er allerdings auch Distanz zu den besonders harten Tönen Kickls rund um die Corona-Impfungen und die ab 1. Februar 2022 vorgesehene Impfpflicht. Für ihn sei das eine persönliche und gesundheitsspezifische Frage, meinte Haimbuchner.

Darauf ließ sich Landeshauptmann Stelzer in seiner Neujahrsbotschaft erst gar nicht ein. In Sachen Corona blieb er allgemein und meinte, oberstes Ziel sei der Schutz der Gesundheit und unserer Gesellschaft. Sonst stellte er in den Vordergrund, dass das Bundesland in den Bereichen Wirtschaft und Beschäftigung stärker sei als andere Bundesländer. Darüber hinaus werde man kräftig in den Klimaschutz investieren.

SPÖ verlor Kompetenzen

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Salzburg oder Tirol gibt es in Oberösterreich wie auch im benachbarten Niederösterreich weiterhin das sogenannte Proporzsystem. Das bedeutet, dass alle Parteien ab einer bestimmten Stärke bei der Landtagswahl automatisch auch in der Landesregierung vertreten sind, rund zehn Prozent der Stimmen sind dafür notwendig. Das sichert auch der SPÖ und den Grünen trotz schwarz-blauer Regierungskoalition jeweils einen Sitz in der Landesregierung für SPÖ-Landeschefin Birgit Gerstorfer und Stefan Kaineder (Grüne). Im Landtag sind neben ÖVP, FPÖ, SPÖ und Grünen erstmals sechs Parteien vertreten, dort kommen noch Neos und MFG dazu.

Die SPÖ hat aber zunehmend weniger Freude mit dem geltenden Regierungssystem. Das liegt vor allem daran, dass sie zwar weiter mit einer Landesrätin in der Landesregierung vertreten ist. Im Zuge der Neuauflage der schwarz-blauen Koalition wurden die SPÖ-Kompetenzen aber um die Pflege und im Sozialbereich und das Budgetvolumen stark beschnitten. Diese wanderten zum neuen ÖVP-Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer.

Sorgen wegen Omikron

SPÖ-Landeschefin Gerstorfer sagt daher im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Das Proporzsystem ist natürlich in Frage gestellt." Allerdings knüpft sie ein Abgehen davon an Bedingungen. Denn gleichzeitig müssten die demokratiepolitisch "vorsintflutlichen Minderheitenrechte" auf Landesebene ausgebaut werden. Das betrifft die Möglichkeit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch eine Minderheit, aber auch niedrigere Hürden für die Einberufung von Sondersitzungen des Landtages oder die Auskunftsrechte der Landtagsklubs von Regierungsmitgliedern. Erst dann könne man auch über den Proporz diskutieren.

Allerdings werden auch in Oberösterreich zum Jahresbeginn 2022 diese Fragen durch die neuen Sorgen um die Auswirkungen der Omikronvariante im Zuge der anhaltenden Corona-Probleme einmal mehr in den Hintergrund gedrängt. Unmittelbar vor dem dem Jahreswechsel gab es eine Aussprache zum Schutz kritischer Infrastruktur. Um die Ausfälle von Mitarbeitern durch die im Jänner erwartete Omikron-Welle möglichst zu vermeiden, setzt etwa die Energie AG Oberösterreich unter anderem auf die Trennung von Mitarbeitern in bestimmte Teams. Darüber hinaus wird abgewartet, welche Maßnahmen beim nächsten Gipfeltreffen auf Bundesebene am Dreikönigstag gesetzt werden.