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ÖVP und FPÖ verstoßen bei Gesetzesverschärfungen in Oberösterreich gegen geltendes Recht, besagt ein neues Gutachten.
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Linz. Nicht ganz eineinhalb Jahre ist Oberösterreichs schwarz-blaue Koalition nun im Amt. Seither hat sie für einiges an Aufregung gesorgt. Das Auslaufen der Bund-Länder-Vereinbarung zur Mindestsicherung zu Jahresbeginn geht nicht zuletzt auf die oberösterreichische Kürzung der Mindestsicherung zurück. Damit haben sich ÖVP und FPÖ in Oberösterreich durchgesetzt und indirekt auch bundespolitisch für eine Änderung gesorgt. Mit anderen Initiativen waren die beiden Parteien nicht ganz so erfolgreich.
Die Maßnahme, Deutsch als Pflichtsprache an den Schulen auch in den Pausen durchzusetzen, erwies sich für die Koalition bisher als unmöglich. Das Land kann die Deutschpflicht mangels Kompetenz nicht verpflichtend verordnen, der zuständige Bund lehnt sie als "Eingriff in das Privatleben der Schülerinnen und Schüler" ab. Die beiden Initiativen sind nicht die einzigen umstrittenen Ideen in Sachen Integration, die im schwarz-blauen Arbeitsübereinkommen "Oberösterreich weiter entwickeln" stehen. Das Papier sieht eine Reihe von Verschärfungen vor, die wie bei der Mindestsicherung vor allem Asylwerber und Asylberechtigte treffen.
Nun liegt ein Gutachten vor, dass die Rechtmäßigkeit mehrerer geplanter Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm bezweifelt. In Auftrag gegeben wurde das Gutachten vom oberösterreichischen Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus sowie SPÖ und Grünen. Die beiden Salzburger Sozial- und Verfassungsrechtsexperten Walter Pfeil und Reinhard Klaushofer kommen unter anderem zum Schluss, dass die Deutschpflicht in Schulen verfassungswidrig wäre. Zu dieser Maßnahme gibt es inzwischen eine längere juristische Diskussion. Ein von der FPÖ in Auftrag gegebenes Gutachten entgegnete der Rechtsansicht des Bundes, dass das Grundrecht der "privaten Sprachenfreiheit" nicht betroffen sei, weil die Kommunikation in der Schule nicht als "Privatverkehr" einzustufen sei. Auch auf diese Rechtsmeinung gehen Pfeil und Klaushofer ein.
Deutschpflicht als Wahlkampfthema
Im Schulrecht bilde sich "deutlich eine Trennung zwischen Unterricht und sonstigen Schulzeiten ab, die der Ablehnung jeglichen Privatlebens in der Schule widerspricht", schreiben die beiden Gutachter. Eine generelle Deutschpflicht in der Schule würde grundrechtlichen Garantien und der Verfassung widersprechen, heißt es im Gutachten. Die oberösterreichische Landesregierung will die Deutschpflicht nun zunächst über die Hausordnungen der einzelnen Schulen umsetzen. Dazu ist ein Beschluss im jeweiligen Schulforum nötig. Außerdem will man das Thema im nächsten Nationalratswahlkampf thematisieren, kündigt ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer an. "Wir werden das als Landespartei ins Wahlprogramm einspeisen. Ich kann nicht für die Bundespartei sprechen, aber es würde mich wundern, wenn es nicht übernommen wird", meint Hattmannsdorfer.
Die Deutschpflicht ist aber nicht die einzige geplante Maßnahme von Schwarz-Blau, der die beiden Gutachter die Rechtmäßigkeit absprechen. So hat FPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreter und Wohnbaureferent Manfred Haimbuchner Nicht-EU-Ausländern, also auch Asylberechtigten, den Zugang zur Wohnbeihilfe erschwert. Diese müssen nun viereinhalb Jahre lang (bisher: drei Jahre) ein steuerpflichtiges Einkommen erworben haben, um Zugang zur Wohnbeihilfe zu bekommen. Die Gutachter kommen zum Schluss, dass die Wohnbeihilfe nach der Genfer Flüchtlingskonvention Asylberechtigten unter gleichen Voraussetzungen zu gewähren ist wie Österreichern. Die entscheidende Argumentation Pfeils und Klaushofers in diesem Punkt ist, dass die Wohnbeihilfe als Sozialhilfe zu betrachten ist.
Eine weitere Maßnahme ist die generelle Streichung von Sozialleistungen, die im Arbeitsübereinkommen der Landesregierung angedacht wird. Mangels konkreterer Ankündigungen im Regierungsprogramm, bleiben die Gutachter in diesem Punkt allgemein. Sie halten aber fest, dass die "Kürzung oder Streichung von freiwilligen Sozialleistungen wegen ‚mangelnden Integrationswillens‘ oder aus anderen Gründen, die für österreichische Staatsbürger nicht gelten", der Grundrechtecharta der Europäischen Union widersprechen. Die beiden Koalitionspartner sehen aber keinen Grund für rechtliche Bedenken. "Der Verfassungsdienst hat die Rechtmäßigkeit bestätigt, ansonsten hätten wir diese Maßnahmen auch nicht beschlossen", lässt Manfred Haimbuchner mitteilen.
ÖVP: "Haben das juristisch genau geprüft"
Für eine Personengruppe dürften die Verschärfungen auch laut Gutachten rechtmäßig sein: subsidiär Schutzberechtigte. Deren Asylantrag wurde zwar abgelehnt, ihr Leben oder ihre Gesundheit wird im Herkunftsland allerdings bedroht. "Im Hinblick auf subsidiär Schutzberechtigte scheinen dagegen weder völker- oder unionsrechtliche noch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplanten Verschärfungen aussichtsreich", so die Gutachter. Oberösterreichs Grünen-Chefin Maria Buchmayr hofft, dass die Gesetzesverschärfungen nicht in dieser Form kommen. "All diese Verschärfungen erschweren die Integration. Es wäre wichtig, dass man die Integration fördert und nicht behindert", sagt sie. Buchmayr hofft nun auf eine neue Linie durch Oberösterreichs designierten Landeshauptmann Thomas Stelzer: "Es ist seine Chance zu sagen, wir begeben uns auf den menschlichen Weg zurück." Die Hoffnung dürfte zunächst enttäuscht werden, sagt Hattmannsdorfer. "Ich schätze jede juristische Fachmeinung. Aber es hat auch bei der Obergrenze und beim Mindestsicherungsmodell geheißen, ‚das geht nicht‘. Jetzt geht beides. Selbstverständlich werden die Maßnahmen halten. Die Texte sind ja nicht am Stammtisch entstanden, wir haben das juristisch genau geprüft."