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Schwarz-blauer Deal: Tausche Sozialabbau gegen Krebsrisiko

Von Christian Kern

Gastkommentare
Christian Kern ist Klub obmann der SPÖ. Jeden Dienstag lesen Sie an dieser Stelle den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.

SPÖ drängt im Nationalrat auf eine Volksabstimmung über das Rauchen in Lokalen.


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Ich gebe zu, als während der Regierungsverhandlungen das Gerücht auftauchte, die FPÖ wolle das beschlossene Rauchverbot in der Gastronomie wieder aufheben - war ich sicher, dass es sich um einen weiteren Irrtum handelt.

Selbst als klar war, die verhandeln wirklich darüber, wollte ich nicht an die Bereitschaft der ÖVP glauben, jegliche Verantwortung und Vernunft hintanzustellen. Immerhin hat die ÖVP das Rauchverbot gemeinsam mit der SPÖ und den Grünen im Juli 2015 beschlossen.

So kann man sich täuschen. Aber das bringt zwei wesentliche Erkenntnisse über die Regierung. Erstens: Für die ÖVP heiligt der Zweck alle Mittel. Machtinteressen sind das, was zählt. Da muss für den ÖVP-Obmann Sebastian Kurz auch die Gesundheit der Österreicher zurückstehen; er bekommt von der FPÖ die bedingungslose Zustimmung zu seinem Sozialabbauprogramm. Zweitens: Die FPÖ führt Österreich auf einen Retro-Kurs ohne Rücksicht auf die Gesundheitsinteressen der betroffenen Arbeitnehmer.

Was für ein Deal! Die FPÖ stimmt zu, dass 20.000 Langzeitarbeitssuchende ihre Jobzusage verlieren, die Notstandshilfe gestrichen wird, Menschen in die Mindestsicherung gedrängt werden, sie stimmt für den 12-Stunden-Arbeitstag und die 60-Stunden-Arbeitswoche. Verbesserungen für Menschen mit Behinderung durch das Erwachsenenschutzgesetz werden abgeblasen. Die Menschen müssen teuer bezahlen, dass Herr Strache im Gasthaus rauchen will.

Die ÖVP ist Konzernen und Großspendern im Wort und kratzt in allen Bereichen des Sozialen das Geld zusammen, um deren Wünsche zu befriedigen. Für die Zustimmung der FPÖ ist Kurz alles recht - auch wenn der Preis die Gesundheit ist.

Und es wird nicht besser. Es ist auch alles, was die FPÖ je über direkte Demokratie gesagt hat, in den Kamin zu schreiben. Bis zum Wochenende haben 370.000 Menschen das "Don’t smoke"-Volksbegehren unterstützt. Aber will die Regierung den Bürgern das letzte Wort geben? Nein, beziehungsweise vielleicht, frühestens im Jahr 2021, sagt Strache. Denn dann soll das Regierungsprogramm so weit umgesetzt sein, dass es automatisch eine Volksabstimmung gibt bei Volksbegehren mit mehr als 900.000 Unterstützern.

Wie immer aber die neue Rechtslage sein wird, sie wird sich nicht auf vergangene Volksbegehren beziehen. Eine größere Verhöhnung der Bürger, die sich jetzt für die gesunde Luft in den Lokalen einsetzen, ist kaum vorstellbar.

Die SPÖ wird im Nationalrat eine Volksabstimmung verlangen, sollten die Regierungsparteien das Rauchverbot per Gesetz kippen. Auf 2021 zu warten wäre fatal. Jährlich sterben 14.000 Menschen in Österreich an den Folgen des Rauchens. Wir haben eine Regierung, auf die sich die Bevölkerung nicht verlassen kann. Kurz und Strache bringen es nicht zusammen, diese so einfache, aber enorm wichtige Frage zu lösen. Stattdessen führen sie seit Wochen ihr bizarres Theater auf. Damit muss Schluss sein. Die Entscheidung muss bei den Bürgerinnen und Bürgern liegen.