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Schwarz-gelbe Koalition in der Krise: Berlin widmet sich der Innenschau

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Schuldenrekord wurde beschlossen. | Berlin/Wien. Man werde den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt erfüllen, kündigte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble zum Abschluss der Bundestagsdebatte zum Budget 2010 an. Dazu werde es einen "ehrgeizigen" Finanzplan brauchen. Im nächsten Jahr seien die Anstrengungen noch vergleichsweise gering. Sie nähmen aber 2012 zu und würden 2013 noch größer.


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Auslöser der Sparpläne ist die Rekordverschuldung, die am Freitag vom Bundestag beschlossen wurde. Kredite um 80,2 Milliarden Euro sollen neu aufgenommen werden. Wo zur Budgetkonsolidierung eingespart werden soll, ist indessen offen. Für 2011 haben die Ministerien bereits jetzt mehr Ausgaben angemeldet, als ihnen Schäuble zugestehen will. Eine Festlegung, wo den Bürgern Einschnitte drohen, haben Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel in der viertägigen Debatte vermieden.

Das liegt nur zum Teil an den Landtagswahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW), die am 9. Mai stattfinden werden. Geht dort die schwarz-gelbe Mehrheit verloren, tut sie dies auch im Bundesrat - und damit drohen der Koalitionsregierung aus CDU, CSU und FDP Blockaden ihrer Gesetzesvorhaben durch die Opposition. Jüngsten Umfragen zufolge geht sich in NRW weder für die schwarz-gelbe noch für die rot-grüne Koalitionsvariante eine Mehrheit aus.

Dauerstreit in Koalition

Konkrete Aussagen werden aber nicht nur deshalb aufschoben, weil damit Wähler verprellt werden könnten, sondern auch, weil sich die Berliner Koalition über ihre Pläne nicht einig ist. Wichtigster Streitpunkt ist die Steuerreform: Die FDP beharrte bisher darauf, Steuersenkungen vorzunehmen, um dadurch die Wirtschaft anzukurbeln - CDU und CSU wollen dies aufschieben. Denn schon jetzt sind die Steuereinnahmen um 16 Milliarden eingebrochen. Eine Entscheidung darüber soll erst nach der nächsten großen Steuerschätzung im Mai und nach den NRW-Wahlen erfolgen, wie Schäuble am Freitag erneut betonte.

Auch die Gesundheitreform zur Sanierung der maroden Krankenkassen ist ständiger Streitpunkt zwischen den Unionsparteien und den Liberalen. Zudem brach FDP-Chef Guido Westerwelle nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Arbeitslosengeld Hartz IV kürzlich eine Sozialstaatdebatte vom Zaun, die von den Koalitionspartnern, die ihre soziale Kompetenz betonen wollen, nicht goutiert wurde.

Dies alles gibt der deutschen Koalition den Anstrich eines zerstrittenen Haufens. Die Wähler quittieren dies laut Umfragen mit steigender Unzufriedenheit: Sie sehnen bereits die große Koalition von Schwarz und Rot zurück, auch andere Bündnisvarianten erscheinen ihnen mittlerweile attraktiver als Schwarz-Gelb, das nicht nur den heutigen Partnern einst als "Wunschkoalition" galt.

Auch Kanzlerin Merkel, die bisher nicht zuletzt wegen ihrer souveränen Auftritte im Ausland als Garant für CDU-Wahlerfolge galt, ist in der Beliebtheitsskala hinter ihren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg abgerutscht, der allerdings jüngst wegen eines Luftangriffs in Afghanistan unter Druck geriet.

Die Koalitionsstreitereien haben das Image der Kanzlerin beschädigt, Führungsschwäche wurde ihr auch in den eigenen Reihen vorgeworfen. Und auf EU-Ebene wurden ihre jüngsten Ratschläge zur Lösung der Griechenland- und damit der Eurokrise alles andere als wohlwollend aufgenommen. Ihr Vorschlag, Euro-Sünder notfalls aus der Währungsunion ausschließen zu können, stieß umgehend auf eine negative Reaktion aus Frankreich. Die deutsch-französische Zusammenarbeit galt bisher als Motor für die EU.