Zum Hauptinhalt springen

Schwarz-Grün - eine Option, aber was für eine!

Von Walter Hämmerle

Politik
© WZ/Andy Urban

WKO-Präsident Harald Mahrer über den Reiz von Schwarz-Grün und warum die ÖVP nicht längst ökosozial ist.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ein Phantomschmerz erfasste 2013 die bürgerlichen Quer- und Vordenker: "Was wäre wenn . . .?" hieß ein schmales Buch, das spekulierte, wie das Land wohl aussehen würde, wenn 2002 eine schwarz-grüne Regierung gekommen wäre. Als Herausgeber fungierte Harald Mahrer, heute Präsident der Wirtschaftskammer. Die "Wiener Zeitung" sprach mit ihm über den Reiz und Tücken dieser Kombination.

"Wiener Zeitung": Seit bald 30 Jahren treibt die Idee von Schwarz-Grün die intellektuelle Avantgarde in der ÖVP um. Warum ist ein Bündnis mit den Grünen nicht einfach nur eine ganz normale Option, ein Mittel zum Zweck der Machtbeteiligung? Die ÖVP kann mit allen Parteien regieren, aber nur Schwarz-Grün wird so überhöht.Harald Mahrer: Persönlich habe ich jetzt seit 25 Jahren mit der Politik in Österreich zu tun, und nie ging es einer Mehrheit derjenigen, mit denen ich in der ÖVP zu tun hatte, nur um Machterhalt. Von außen mag das anders wirken, aber im Gegensatz zu anderen Parteien waren diese Menschen immer entweder interessenspolitisch oder inhaltlich getrieben. Eine Koalition mit den Grünen ist im Moment eine Option unter anderen. Zugleich ist sie aber auch eine neue Alternative, weil sie eine gewisse innerliche bürgerliche Sehnsucht verkörpert, in deren Zentrum Gemeinsamkeiten stehen, die ideengeschichtlich vielleicht größer sind als diejenigen mit anderen Parteien.

Welche Gemeinsamkeiten sind das?

Unternehmerische Freiheit, soziale Verantwortung und das Ziel, Ökologie und Wirtschaft in eine Balance zu bringen, ist in der politischen DNA der ÖVP fest verankert. Und viele Gründer und Gründerinnen der Grünen kommen aus dem bürgerlichen Umfeld. Von daher gibt es, auch wenn das einige vielleicht nicht hören wollen, eine gewisse Seelenverwandtschaft, die so mit anderen Parteien nicht besteht. Ich glaube, dass hier die Gründe liegen, warum die ÖVP-Vordenker besonders gerne über diese Variante nachgedacht und spekuliert haben. Es ist die Chance, Neues auszuprobieren, sich auf Innovationen einzulassen. Mir geht es ja selbst so.

2013 haben Sie geschrieben, dass "Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch in die Kalkulationen der Produktionsprozesse und Preisgestaltung" bei der Ökosozialen Marktwirtschaft einzubeziehen seien. Warum hat die ÖVP das nicht längst umgesetzt?

Weil wir eine extrem exportorientierte Wirtschaft sind, die noch dazu in den vergangenen 30 Jahren in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß in die globale Wertschöpfungskette integriert wurde. Gäbe es lauter voneinander abgekoppelte Inseln, die alle für sich selbst produzieren und konsumieren, könnten wir über Ihre Frage anders diskutieren. Wir verdienen aber sechs von zehn Euro der Bruttowertschöpfung auf den Weltmärkten, unsere regionale Wertschöpfung hängt an den Erfolgen unserer globalen Akteure. Das heißt, dass wir über diese Bepreisung des Ressourcenverbrauchs nur im globalen, zumindest aber europäischen Rahmen diskutieren müssen. Hier nationale Wege zu beschreiten, führt in eine Sackgasse. Das wird, wenn es zu Regierungsverhandlungen kommen sollte, eine harte Debatte mit den Grünen, weil das für unsere Wirtschaft enorm schädlich wäre.

Wie schaut eine mögliche Lösung dieser Sollbruchstelle aus?

Viele Ökonomen meinen, dass wir Ressourcenverbrauch richtig bepreisen müssen, aber eben zunächst auf europäischer Ebene, weil dies unser Heimatmarkt ist, und dann auch unter Einbeziehung internationaler Handelsabkommen, indem etwa außereuropäische Importe mit einer CO2-Abgabe belegt werden. Wir brauchen einfach die richtigen Instrumentarien, weil unsere Wirtschaft bereits sehr ressourcenschonend produziert. Und wenn es um die Erreichung von Emissionszielen geht, so sind mir ganz grundsätzlich Anreize und die Unterstützung von Innovationen und Forschungen lieber als Strafbesteuerungen.

Bei Schwarz-Grün gibt es bestimmte Reizwörter. "Gerechtigkeit" ist so ein Beispiel: Die einen fordern diese hier und heute, andere denken dabei an ihre Kinder und Enkel. So oder so steckt darin politisches Konfliktpotenzial.

Ich kann das nur für die Wirtschaft beantworten. Kinderarmut zum Beispiel ist eine Schande. Was immer hier getan werden kann, soll jetzt getan werden und nicht in 15 Jahren. Das Gleiche gilt für Bildung: Wir müssen heute und nicht irgendwann in die frühkindliche Entwicklung und den Kindergarten investieren, auf dass die Menschen in ihrem späteren Leben ihre Chancen ergreifen können. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um andere Ressourcen wie Aufmerksamkeit. Hier einen Schwerpunkt zu setzen, wäre längst überfällig.

Auch beim Begriff Wachstum scheiden sich die Geister: Viele Grüne wollen sich von der Idee verabschieden, auf der anderen Seite bricht ohne Wachstum die Finanzierung des Sozialstaats zusammen.

Die Frage wird auch in der Wissenschaft höchst kontroversiell diskutiert, wobei es auch um Definitionen geht. In vielen Ländern wird darüber nachgedacht, die Zusammensetzung des Brutto-Inlandsprodukts neu zu bestimmen, aber in Wirklichkeit lässt sich das nationalstaatlich nicht lösen. Ich würde aber auch den Begriff Wachstum durch Entwicklung ersetzen, diese hat nämlich eine qualitative wie auch quantitative Dimension; das Wesentliche bleibt für mich dennoch, unsere Gesellschaft weiterzubringen, und das hat stets eine materielle wie immaterielle Komponente. Entscheidend ist für mich dabei die Überzeugung, dass die Grundkonzeption des schumpeterianischen Unternehmers als Innovator der menschlichen Entwicklung zutiefst zuträglich ist.

Die Grünen fordern vehement Vermögens- und Erbschaftssteuern, beides betrachtet die ÖVP als No-Go. Wo kann man sich hier treffen?

Leider wird nicht verstanden, dass eine Substanzbesteuerung unsere Wettbewerbsfähigkeit massiv schwächt, das wäre ein Jobkiller, zumal wir ohnehin einige Elemente bereits jetzt haben. Ich halte das primär für eine Politmarketingfrage, das gilt auch für Erbschaftssteuern, die ja eine weitere Substanzbesteuerung sind. Wir stellen uns jeder Debatte und haben gute Argumente für unsere Position. Und bisher habe ich die Grünen als extrem sachorientierte Verhandler erlebt - und das ist eine reine Sachfrage.

Worin liegt der stärkste Anreiz für Schwarz-Grün?

Als Wirtschaftsvertreter bin ich pragmatisch. Wir fürchten uns jedenfalls nicht, und wenn ein Teil der Erzählung sein sollte, Klima- und Umweltprodukte "Made in Austria" für die Weltmärkte, dann kann das auch eine große Chance sein. Quasi ein "Green New Deal" auf österreichisch.