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Schwarz-grüne Ursachenforschung

Von Walter Hämmerle

Politik

Am Sonntag, unmittelbar nach dem Scheitern der schwarz-grünen Regierungsverhandlungen, war die Enttäuschung über das nicht zustande gekommene Experiment noch den übernächtigen Verhandlern ins Gesicht geschrieben. Da geriet selbst die Frage nach der Schuld zur Nebensache. Erst am Tag danach, als der politische Alltag ÖVP und Grüne schon längst wieder eingeholt hatte, begann auf beiden Seiten die Suche nach den Verantwortlichen. Diese wurden - wenig überraschend - auf der jeweils anderen Seite ausgemacht. Von sinnlos abgespulten, also so genannten leeren Kilometern wollte aber trotzdem niemand reden: Sowohl Volkspartei wie auch Grüne betonten, viel voneinander gelernt zu haben.


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"Erhebliche Fortschritte" habe es gegeben, meinte der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen sichtlich erschöpft nach dem 16-stündigen Verhandlungsmarathon in der Nacht vom Samstag auf Sonntag. In den Bereichen Umwelt, Ökologie und Klimaschutz sei man sich einig gewesen. Sogar bei der Frauen-, der Integrations- und der Asylpolitik habe man zu gemeinsamen Standpunkten gefunden, merkte Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel an.

Auch darüber, dass in Sachen Pensionen dringend etwas geschehen müsse, waren ÖVP und Grüne noch einer Meinung. Über den Weg dahin konnte man sich aber nicht mehr verständigen. Weitere Knackpunkte waren die Studiengebühren, die Frage der Mitbestimmung an den Universitäten und natürlich die Abfangjäger. Von letzteren meinte EU-Abgeordneter und Koalitionsbefürworter Johannes Voggenhuber in der "Presse", sie seien eine "erhitzte hysterische Geschichte auf beiden Seiten".

Knackpunkt Konsolidierungskurs

Aus Sicht der ÖVP scheiterte das schwarz-grüne Experiment, dem so viel Charme attestiert worden war, vor allem an den "ökonomischen Eckpunkten, das Pflichtprogramm der nächsten Regierung", wie es Bundeskanzler Schüssel formulierte. Dem konnte auch Van der Bellen zustimmen: Man sei "jeweils auf die eiserne Hand des Finanzministers gestoßen", wenn es um die Frage abfedernder Maßnahmen für schmerzhafte Reformschritte, etwa in der Pensionsfrage, gegangen sei, so der Parteichef der Grünen am Sonntagnachmittag.

Die Frage eines "sanierten Haushalts ist einer der wesentlichen Pfeiler der wirtschafts- und finanzpolitischen Linie der Volkspartei", begründete dann gestern VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat die harte Haltung in dieser Frage. Doch da ging es eben schon um die Frage der Verantwortung für das Scheitern der Verhandlungen. Weshalb sich der Grüne Budgetsprecher Werner Kogler im Radio-"Mittagsjournal" zu Wort meldete und meinte, der Bundeskanzler habe am Vorabend "einmal mehr nicht die Wahrheit gesagt", als er die Grünen bezichtigte, sich vom Konsolidierungskurs verabschiedet zu haben. Man hätte sehr wohl eigene Einsparungsvorschläge in die Verhandlungen eingebracht, so Kogler, doch sei die ÖVP nicht in der Lage gewesen, eine Garantieerklärung ihrer Landeshauptleute beizubringen. Rauch-Kallat beurteilte diese Aussagen Koglers als "keinen guten Stil" und "Geschichtsschreibung in eigener Sache".

Grüne: Geschlossene Reihen am Tag danach

Das Stimmungsbarometer bei den Grünen Funktionären und Mandataren schwankte noch am Tag danach zwischen Enttäuschung und offen zur Schau getragener Erleichterung. Aber von vergeudeter Zeit und leeren Kilometern wollte trotzdem keiner reden. Nach den Tagen der öffentlichen Auseinandersetzungen über Sinn und Unsinn von Regierungsverhandlungen mit der VP waren vor allem die Kritiker einer Regierungsbeteiligung bemüht, die Gräben wieder zuzuschütten.

So meinte etwa die Vorarlberger Abgeordnete Sabine Mandak, der Kurs des Parteichefs, in die Verhandlungen zu gehen, sei rückblickend gesehen richtig gewesen. Mandak gehörte zu jener Gruppe, die gegen den Kurs ihres Chefs stimmten. Entsprechend sieht auch der Landessprecher der Vorarlberger Grünen, Johannes Rauch, die Grünen insgesamt und Van der Bellen im Besonderen gestärkt. Rauch begründet dies mit dem Erfahrungsgewinn, den die Grünen aus ihren erstmaligen Regierungsverhandlungen gewonnen hätten. Auch deshalb sei der Abbruch der Gespräche "keine Beschädigung des Bundessprechers".

Erleichterung über das Ende der Belastungsprobe war auch unüberhörbar aus den Worten von Parteivize Madeleine Petrovic heraus zu hören: "Die Sache ist ausgestanden, wir beginnen die Oppositionsarbeit im Parlament". Eine Koalitionsvereinbarung sei "aus welchen Gründen immer" nicht möglich gewesen, deshalb sei eine zweite Verhandlungsrunde "so gut wie unmöglich", erklärte sie gegenüber der APA.

Für ÖVP Verhandlungen "nicht umsonst"

Trotz ihres vorzeitigen Endes waren für VP-Mitverhandlerin und Landeshauptfrau Waltraud Klasnic die Gespräche mit den Grünen nicht umsonst: "Es war gut, miteinander zu sprechen, aber man hat am Ende erkannt, dass es einen unterschiedlichen Zugang zu vielen Problemen gibt", erklärte sie im ORF. Dabei sei besonders wichtig, dass die Themen Umwelt und Integration bereits ausverhandelt waren. Klasnic verband ihr Resümee mit der Hoffnung, dass die Positionierung der Volkspartei die Partei der Mitte ist, die mit allen Parteien reden kann, sichtbar geworden ist. Klasnic: "Diese Tage waren nicht umsonst."