Umfragen sind Wahlkampf mit anderen Mitteln. Vor allem in der jetzigen, völlig instabilen Stimmungslage wird das deutlich: Der Erkenntniswert der üblichen Meinungsumfragen per Telefon mit einem 500-Sample beträgt exakt Null. Allenfalls dass die Leute von Politik, Politikern und Parteien, insbesondere SPÖ und ÖVP, die Nase voll haben, kann an Information herausgefiltert werden. Im Hinblick auf den Wahlsonntag ist aber auch das völlig irrelevant. | Wer also jetzt gutes Geld für teure Umfragen verwendet, ist entweder von allen guten Geistern verlassen - oder aber verfolgt ganz andere Ziele. Zum Beispiel die eigene Partei strategisch in eine möglichst gute Ausgangslage zu positionieren.
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Am Donnerstag etwa schockierte SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ihren Parteivorstand mit einer Umfrage, die die Sozialdemokraten nur mehr bei 21 bis 23 Prozent sieht - acht Prozentpunkte hinter der ÖVP. Erstellt hat die Umfrage das SPÖ-nahe Ifes-Institut.
Die Strategie ist klar: Es geht um die Oberhoheit für die Dramaturgie des kommenden Wahlkampfs: Wer von weit unten losstartet, ist der Underdog, der zum Aufholprozess ansetzt. Wetten, dass in den nächsten Ifes-Umfragen der SPÖ-Abstand zur ÖVP langsam, aber kontinuierlich dahinschmilzt bis für den Endspurt das zu erwartende Kopf-an-Kopf-Rennen ausgerufen wird. Eine solche Dramaturgie motiviert SPÖ-Anhänger zu letztem Einsatz.
Die ÖVP will von einer solchen Ausgangslage naturgemäß nichts wissen. Die profitiert nämlich von einem engen Rennen mit der SPÖ von Beginn an. Zu tief sitzt noch der Schock von 2006, als die ÖVP blind den beruhigenden Umfragen vertraute und erst am Wahltag aus allen Kanzler-Träumen gerissen wurde. Ganz in diese "große Erzählung" der Schwarzen passen deshalb die Ergebnisse der jüngsten OGM-Umfrage von Juni, die einen Gleichstand von SPÖ und ÖVP bei 33 Prozent sieht. Das Kalkül dahinter: Die traditionell eher mobilisierungsresistenten bürgerlichen Wähler lassen sich noch am ehesten durch Spannung zu den Wahlen locken.
Eine besonders originelle Umfrage war am Freitag in "Österreich" zu lesen: Dort verteilt Gallup nur noch 23 beziehungsweise 21 Prozent an ÖVP und SPÖ, die FPÖ kommt auf 18 Prozent -und hätte damit dank Schwankungsbreite Chancen auf den Kanzler. Neben den Grünen (14 Prozent) würden auch Fritz Dinkhauser, BZÖ und Hans-Peter Martin den Einzug schaffen. LIF, Kommunisten und der Schauspieler Karl-Heinz Hackl werden mit je 2 Prozent bedacht. Ein solches Ergebnis dürfte wohl ganz dem Geschmack von Herausgeber Wolfgang Fellner entsprechen, dessen liebstes Wort im Zusammenhang mit Wahlen "Erdbeben" zu lauten scheint.
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