Sieben Milliarden Entlastung bis 2020, Eingangssteuersatz von 25 Prozent und vor allem: keine neuen Steuern.
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Wien. Ein Eingangssteuersatz von 25 Prozent, fünf statt drei Steuertarifstufen und eine Entlastung von fünf Milliarden ab 2016. ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling haben am Mittwoch das Steuerkonzept der ÖVP vorgestellt. "Wir schlagen ein Reformkonzept statt einem Entlastungskonzept vor", sagt Mitterlehner im Rahmen der Präsentation.
Zur Finanzierung des fünf Milliarden Euro schweren Pakets soll es keine neuen Steuern geben. In einem zweiten Schritt soll ab 2020 eine weitere Entlastung von zwei Milliarden kommen - unter der Bedingung weitreichender Pensions- und Verwaltungsreformen. "Österreich hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem", wiederholte Schelling sein Mantra.
Tarifreform größter Brocken
Der Eingangssteuersatz für Jahreseinkommen zwischen 11.000 und 16.000 Euro soll auf 25 Prozent gesenkt werden. Der Spitzensteuersatz soll ab einem Einkommen von 100.000 statt bisher 60.000 Euro greifen (siehe Grafik). Die Tarifstufenreform macht den größten Brocken aus und soll ungefähr 3,8 Milliarden Euro jährlich kosten. Außerdem will der Finanzminister die Sozialversicherungsbeiträge für Niedrigverdiener, also bis 1200 Euro brutto pro Monat, senken.
Finanziert werden soll das über eine Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage. Neben Arbeitnehmern sollen auch Familien (400 Millionen) und Wirtschaft (800 Millionen) entlastet werden. Für Unternehmen seien niedrigere Lohnnebenkosten und nicht näher definierte Investitionsanreize geplant. Alle Entlastungen sollen die heimische Abgabenquote um zwei Prozent senken. Derzeit beträgt sie 43 Prozent und liegt acht Prozentpunkte über dem OECD-Schnitt.
Finanzierung übers Sparen
Während die SPÖ für die Gegenfinanzierung der Steuerreform Vermögenssteuern vorschlägt, will die ÖVP auf zusätzliche Steuern verzichten. Stattdessen sollen 900 Millionen durch die Beseitigung von Ausnahmen im Steuerrecht - derzeit 350 Ausnahmen - in die Staatskasse fließen. Weitere 500 Millionen Euro sollen mit der Streichung von Förderungen eingenommen werden. 600 Millionen soll die viel diskutierte Verwaltungsreform bringen. Den Löwenanteil der Gegenfinanzierung sollen die Bekämpfung von Sozial- und Steuermissbrauch (eine Milliarde), Wachstumseffekte und Länderbeiträge (1,8 Milliarden) abdecken.
Schelling hofft, dass sich 17 Prozent der fünf Milliarden quasi selbst finanzieren und durch die Entlastung der Konsum angekurbelt wird. So sollen zusätzlich 900 Millionen fließen. Von den Ländern und Gemeinden sollen 900 Millionen Euro über den Finanzausgleich kommen. "Die Länder wissen, dass sie einen Beitrag leisten müssen", so Schelling. Die Reformen sollen ab 2016 ein Wirtschaftswachstum von zusätzlich einem Prozent bringen.
"Ich glaube, dass eine Entlastung auf jeden Fall einen Mehrwert hat und den Konsum ankurbeln kann", sagt Franz Schellhorn, Leiter der Denkfabrik Agenda Austria, zur "Wiener Zeitung". Allerdings spielt beim Konsum immer auch eine psychologische Komponente mit. Wenn im Zuge der Reform nicht auch die notwendigen Strukturreformen angegangen werden, warnt Schellhorn, dass die Konsumenten weiterhin zurückhaltend mit ihrem Geld umgehen werden, für den Fall, dass doch wieder neue Steuern die steigenden Staatsausgaben decken müssen.
"Es ist bekannt, dass niedrigere Schichten eher ihr Geld ausgeben, wenn sie mehr zur Verfügung haben und die höhere Schicht eher spart", sagt Christian Keuschnigg vom Institut für Höhere Studien im Gespräch. Kurzfristig können diese Maßnahmen das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Aber langfristig brauche es neben Konsum auch mehr Investitionen und Arbeitsplätze. Keuschnigg und Schellhorn bezeichnen die Selbstfinanzierungsquote beider Parteien als recht ambitioniert.
Sowohl SPÖ als auch ÖVP wollen eine Milliarde über die Bekämpfung von Steuermissbrauch hereinholen. "Diese Zahl ist beträchtlich, weil jetzt schon viel getan wird. Außerdem würde das bedeuten, dass die Finanzverwaltung bisher ineffizient war, was ich nicht glaube", meint Schellhorn. Er hält Einnahmen von einer Milliarde in so kurzer Zeit für unrealistisch. Außerdem können Maßnahmen gegen Steuerflucht und -vermeidung nur gemeinsam mit anderen Staaten ausgeführt werden. Zur viel diskutierten Mehrwertsteuerreform finden sich im ÖVP-Papier keine Details. Man wolle die Empfehlungen der Steuerreformkommission abwarten. Vom Tisch ist das Thema allerdings nicht.
Ohne weitreichende Reformen und Einsparungen in der Verwaltung, bei den Ländern und den Steuerprivilegien ist eine Reform jedenfalls weder machbar noch glaubwürdig, warnen die Experten. "Die wirklich interessante Frage ist, was man bei den Staatsausgaben machen kann", meint Schellhorn. Mit allzu mutigen Reformen könnten beide Parteien aber ihre Klientel gegen sich aufbringen. "Es kommt hier auf den Mut der Regierung an. Es wird nämlich Widerstand geben", sagt Keuschnigg.
"Es ist positiv zu bewerten, dass Ansätze für eine Reform da sind. Ich fürchte aber, dass die Reformdebatte von einer Substanzdebatte überschattet wird", sagt Schellhorn. Bei den politischen Verhandlungen, diese starten am 17. Dezember, sei die Regierung gut beraten, über Einsparungen und Reformen zu diskutieren, anstatt über ja oder nein zu neuen Steuern.