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Schwarze Konten in der EU?

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Nachdem das Europäische Parlament mehr als 30 Jahre lang dem Etat des Rates der EU ungeprüft zugestimmt hat, fordert es erstmals Einsicht in dessen Gebarung.


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Es war einmalig in der Geschichte der EU: Nachdem das Europäische Parlament (EP) mehr als 30 Jahre lang dem Budget des Rates ohne weitere Prüfung zugestimmt hat, verweigerte dessen Haushaltskontrollausschuss auf seiner Sitzung am 16.März 2009 dem Rat erstmals die Entlastung für dessen Haushaltsführung und setzte diesem eine Frist bis 15. Mai zur Offenlegung.

Dabei geht es um viel Geld, da dem Generalsekretariat des Rates ein Jahresbudget von etwa 650 Millionen Euro zur Verfügung steht. Sowohl Javier Solana, der Generalsekretär des Rates und gleichzeitige "Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" der EU, als auch dessen Stellvertreter, der Franzose Pierre de Boissieu, verweigern aber dem Haushaltsausschuss des EP jedwede Stellungnahme.

Kontrolle des Haushalts

Im Haushaltsverfahren in der EU (Artikel 268 bis 280 EG-Vertrag) wirken Rat, Europäische Kommission und EP folgendermaßen zusammen: Auf Vorschlag der Kommission stellt der Rat den Entwurf des Haushaltsplanes auf und beschließt diesen in der Folge gemeinsam mit dem EP. Die Kommission führt den Haushaltsplan in eigener Verantwortung aus und legt dem Rat und dem EP jährlich die Rechnung des abgelaufenen Haushaltsjahres vor. Auf Empfehlung des Rates erteilt das EP dann der Kommission Entlastung zur Ausführung des Haushaltsplans.

Zur reibungslosen Zusammenarbeit zwischen diesen drei Organen wurde bereits 1975 eine eigene Vereinbarung (Konzertierungsverfahren) geschlossen: Sollte die Kommission für ihre Haushaltsführung einmal nicht die Entlastung des EP bekommen, käme dies einem indirekten Misstrauensvotum des EP gleich und sie müsste zurücktreten. 1999 kam die Kommission unter der Leitung von Jacques Santer einer solchen Konsequenz durch einen freiwilligen Rücktritt zuvor.

Damit fordert der EG-Vertrag grundsätzlich nur eine Gebarungskontrolle für die Ausführung des Haushaltsplans der EU durch die Kommission. Der Haushalt anderer Organe wie etwa der des Rates wird hingegen nur durch die eigene, interne Finanzkontrolle sowie durch den Rechnungshof als unabhängige externe Kontrollbehörde geprüft. Nach Aussage des Rates ist diese Tatsache einer fehlenden politischen Finanzkontrolle des Rates durch das EP durch ein "Gentlemen´s Agreement" vom 22. April 1970 mit dem EP abgesichert.

Dieser Aussage widerspricht der Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses des EP, der Österreicher Herbert Bösch, vehement: "Wir haben gesucht, aber kein Abkommen gefunden." Es handle sich bei den Aufzeichnungen der gegenständlichen Ratssitzung lediglich um einen einseitigen Vermerk, der schon als solcher das EP nicht binden könne.

Wachsames Auge

Ist es schon aus demokratiepolitischen und rechtstaatlichen Gründen hoch an der Zeit, die Gebarung des Rates schon jetzt genau zu prüfen, so wird dies in Zukunft immer wichtiger. Der Vertrag von Lissabon (2007) sieht nämlich den Aufbau eines eigenen Europäischen Auswärtigen Dienstes vor (Artikel 27 Absatz 3 EU-Vertrag) (Amtsblatt 2008, C 115/32), dessen Aufbau schon seit der Unterzeichnung des "Vertrages über eine Verfassung für Europa" Ende Oktober 2004 vorzunehmen war.

Allein die damit verbundenen komplizierten haushaltsrechtlichen Probleme verlangen kategorisch nach einer strengen Gebarungskontrolle durch das EP. Die Diskussion darüber kommt allerdings jetzt, drei Monate vor den nächsten EP-Wahlen im Juni, zur Unzeit.