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Schwarze Löcher blasen Materie in Hohlräume

Von WZOnline, grex

Wissen
Nicht nur die Erkenntnis, dass die Hohlräume deutlich mehr Materie als gedacht enthalten, ist für die Wissenschafter interessant. Es könnte auch eine Erklärung für das sogenannte Missing-Baryon-Problem sein.
© Foto: Universität Innsbruck

Alle bisherigen Messungen deuten darauf hin, dass das Universum nur zu knapp fünf Prozent aus "normaler" Materie besteht.


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Innsbruck/Wien. Die Materie ist im Universum ungleichmäßig verteilt. Sie konzentriert sich auf dünne Bereiche rund um riesige Hohlräume. Ging man bisher von völlig leeren Blasen aus, berichten nun Innsbrucker Forscher mit Kollegen in den "Monthly Notices" der Royal Astronomical Society, dass die Hohlräume bis zu 20 Prozent der "normalen" Materie beinhalten könnten. Dorthin geblasen wird sie von Schwarzen Löchern.

Alle bisherigen Messungen deuten darauf hin, dass das Universum nur zu knapp fünf Prozent aus "normaler" Materie besteht. Das ist primär jene Materie, aus der Sterne, Planeten, Galaxien aufgebaut sind. Sie wird daher auch häufig als "sichtbare" Materie bezeichnet, die Wissenschafter nennen sie "baryonische" Materie. Weitere rund 27 Prozent der Masse des Universums macht die mysteriöse "Dunkle Materie" aus, die man noch nicht identifiziert hat und von der man nur weiß, dass sie über Gravitation wechselwirkt. Schließlich besteht der Kosmos zu 68 Prozent aus der noch rätselhafteren "Dunklen Energie".

Kosmisches Netz mit Riesen-Hohlräumen

Nach bisherigen Beobachtungen konzentrieren sich die sichtbare und "dunkle" Materie auf fadenförmige Gebilde, sogenannte Filamente, die ein kosmisches Netz formen und dabei gewaltige Hohlräume umfassen. Markus Haider vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck hat sich gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland und den USA diese Materie-Verteilung genauer angeschaut.

Sie nutzten dazu Daten aus der Simulation "Illustris", eine "der bisher ausgeklügeltsten Simulationen über die Entstehung von Galaxien und die Anordnung der baryonischen und 'dunklen' Materie in den Filamenten", wie Haider gegenüber der APA erklärte. Die Computersimulation setzt zu einem Zeitpunkt an, als das Universum erst zwölf Millionen Jahre alt war (heute ist es 13,8 Milliarden Jahre alt) und betrachtet einen würfelförmigen Ausschnitt mit einer Kantenlänge von 350 Mio. Lichtjahren.

"Unseren Daten zufolge sind 50 Prozent der gesamten Materie (also sichtbare und dunkle Materie, Anm.) in den Galaxien konzentriert, weitere 44 Prozent verteilen sich auf die Filamente, und nur sechs Prozent befinden sich in den Hohlräumen", sagte Haider. Diese Blasen nehmen aber 80 Prozent des Volumens des Universums ein, das Volumen der Galaxien beträgt hingegen nur 0,2 Prozent des Kosmos.

Zur Überraschung der Wissenschafter zeigte die Simulation auch, dass sich rund 20 Prozent der "normalen" Materie in den Hohlräumen findet. Auch wenn es sich grundsätzlich um sichtbare Materie handelt, wird man sie kaum beobachten können, da es sich um ein sehr dünnes, kaltes Gas handelt.

Materie strömt in Hohlräume hinein

"Wir gehen davon aus, dass supermassereiche Schwarze Löcher in den Galaxienzentren dafür verantwortlich sind", sagte Haider. Sie wandeln einen Teil der Materie, die sie verschlucken, in Energie um und strahlen diese wieder ab. Diese Energie wird auf umliegende Gaswolken übertragen. "Das führt zu starken Materieströmen, die sich Hunderte und Tausende Lichtjahre über die Galaxien hinaus in die Hohlräume hinein erstrecken", so der Astrophysiker.

Nicht nur die Erkenntnis, dass die Hohlräume deutlich mehr Materie als gedacht enthalten, ist für die Wissenschafter interessant. Es könnte auch eine Erklärung für das sogenannte Missing-Baryon-Problem sein, sagte Haider. Denn derzeit sieht man deutlich weniger "normale" Materie als im frühen Universum vorhanden war. Ein Teil dieses Verlusts könnte in der Materie liegen, die offensichtlich von den Schwarzen Löchern in die Hohlräume geblasen wird.

Die Ergebnisse solcher Simulationen hängen von diversen Annahmen etwa über die Schwarzen Löcher ab. Haider räumt ein, dass der Wert der in die Hohlräume geblasenen Materie auch geringer sein könnte. Das Ergebnis sei aber dennoch "relevant, weil es zeigt, dass sich ein gewisser Anteil der Materie dort verstecken könnte". Weitere Simulationen mit verbesserten Modellen sollen die Resultate verifizieren.

Oxford Journals: Large-scale mass distribution in the Illustris simulation