Der Bund will erstmals seit 65 Jahren mehr einnehmen als ausgeben. Trotz guter Konjunktur sieht der Budget-Entwurf Einsparungen vor.
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Wien. Der Große Redoutensaal der Hofburg ist bis auf den letzten Platz gefüllt, viele haben keinen Platz gefunden und müssen stehen. Dass sie schließlich 75 Minuten lang ausharren müssen, hatte vermutlich kaum einer erwartet: Die erste Budgetrede des neuen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) am Mittwoch vor dem Nationalrat war die deutlich längste seit jener Maria Fekters 2012, die damals 82 Minuten lang redete.
Es war die erste Budgetrede während der Renovierungsarbeiten des Parlamentsgebäudes und daher im Ausweichquartier im Großen Redoutensaal der Hofburg und wohl auch eine der unaufgeregtesten, während der es relativ wenige Zwischenrufe vonseiten der Opposition gab. "Wir starten in eine neue Zukunft", sagte Löger: 2019 soll es das erste Mal seit 65 Jahren einen Budget-Überschuss geben.
Seit 1954 habe der Staat in keinem Jahr weniger ausgegeben als eingenommen. Dadurch seien die Schulden kontinuierlich gewachsen, und man habe "auf Kosten unserer eigenen Zukunft und der unserer Kinder und Enkelkinder gelebt". Nur acht der 183 Abgeordneten des Hohen Hauses seien damals schon geboren gewesen, als zum letzten Mal keine Staatsschulden aufgebaut wurden, so Löger.
541 Millionen Euro Überschuss 2019
Die Regierung sei angetreten, das zu verändern, sagte der Finanzminister. Geht es nach dessen Budgetplänen, werden im kommenden Jahr 541 Millionen Euro Überschuss erzielt, und das soll kein einmaliges Ereignis bleiben. Damit ist der administrative Überschuss gemeint - also jener, der entsteht, wenn im allgemeinen Haushalt die Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Für 2018 sind laut Löger noch Einnahmen von 76,38 Milliarden Euro und Ausgaben von 78,54 Milliarden Euro vorgesehen. 2019 soll sich das Verhältnis dann umdrehen: Die Einnahmen sollen auf 79,69 Milliarden Euro steigen, die Ausgaben auf 79,15 Milliarden Euro - ein Überschuss von 541 Millionen Euro. 1954, als Österreich zuletzt einen administrativen Überschuss erreicht hat, lag dieser bei 38 Millionen Euro.
Das Defizit gemäß den Maastricht-Kriterien, die die EU-Mitgliedstaaten bei der Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion einhalten müssen, soll 2019 null betragen. Das strukturelle Defizit von Bund, Ländern und Gemeinden wird Löger zufolge heuer bei 0,9 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen und nur abzüglich der Kosten für die Bewältigung der Flüchtlingskrise im erlaubten Rahmen von 0,5 Prozent bleiben. Mit diesem ist jener Teil des Staatsdefizits gemeint, der nicht auf konjunkturelle Schwankungen zurückzuführen ist. Es entsteht etwa, wenn neue Aufgaben ohne Abbau der bestehenden zur Überlastung des Staatshaushaltes führen. Außerdem sind hier auch Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen miteinberechnet. Erst ab 2019 werden die EU-Vorgaben auch ohne diesen Sondereffekt eingehalten. Ab 2021 ist ein struktureller Überschuss von Bund, Ländern und Gemeinden vorgesehen.
Der Schuldenstand der Republik soll währenddessen von 78,1 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2017 bis 2022 auf 62,2 Prozent sinken - unter anderem begünstigt durch den Abbau der notverstaatlichten "Bad Banks". Das wäre zwar immer noch mehr als die auf EU-Ebene gemäß den Maastricht-Kriterien eigentlich zugelassenen 60 Prozent. Mangelnden Ehrgeiz beim Schuldenabbau wies Löger allerdings zurück und bat um Verständnis, "dass Österreich nicht zu Tode gespart wird". Österreich habe in den vergangenen Jahrzehnten "unglaubliche 290 Milliarden Euro an Staatsschulden aufgebaut".
Die aktuell gute Konjunktur und das Ende der Bankenkrise spielen nun Löger freilich in die Hände. "Es gibt sicher schlechtere Rahmenbedingungen für einen neuen Finanzminister", räumte dieser ein. 2017 musste der Bund noch fast 4,9 Milliarden Euro an die "Bad Banks" für die notverstaatlichten Banken (Hypo Alpe Adria, Kommunalkredit, ÖVAG) überweisen. Die Folge war ein administratives Defizit von 6,9 Milliarden Euro. Diese Zahlungen fallen ab heuer weg, womit der Bundes-Überschuss schon allein durch das kräftige Plus bei den Einnahmen von drei Milliarden Euro jährlich in Reichweite rückt.
Neue Steuern und Erhöhungen soll es nicht geben
Ein "Automatismus" sei das Nulldefizit dennoch nicht, so Löger. Neue Steuern und Erhöhungen soll es nicht geben, die Regierung will vielmehr 2,5 Milliarden Euro einsparen - unter anderem durch das Auslaufen des Beschäftigungsbonus, der eine Milliarde Euro bringen soll, und der Aktion 20.000. Durch Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachungen will man ebenfalls bis zu einer Milliarde Euro lukrieren. Auch der niedrigere Zinsaufwand trägt freilich zum geplanten Überschuss bei: Lag dieser 2012 noch bei 7,1 Milliarden Euro, sank er stetig auf 5,4 Milliarden Euro im Vorjahr ab. Für 2019 wird ein Zinsaufwand von nur noch 4,7 Milliarden Euro erwartet.
Gleichzeitig sollen diejenigen, "die mit ihren Abgaben und Steuern das Land erhalten", entlastet werden, sagte Löger. "Unsere neue Steuerpolitik ist: Entlastung." Ziel sei eine deutliche Senkung der Abgabenquote bis 2022 in Richtung 40 Prozent. Für den Familienbonus Plus etwa, der mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten wird, entfällt die Steuerlast entweder zur Gänze oder es wirkt ein Steuerbonus von bis zu 1500 Euro pro Kind und Jahr.
"Was wir uns selbst abverlangen - nämlich das Sparen im System, bei uns selbst -, das müssen wir auch auf Unionsebene durchsetzen", sagte Löger - ab 1. Juli, wenn Österreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernimmt, falle dem Land dabei eine besondere Rolle zu. Für den Ratsvorsitz sind im Bundeskanzleramt übrigens Mittel von 43 Millionen Euro veranschlagt.